Durch Bürgerbeteiligung zur neuen qualitätsvollen Quartiersentwicklung

Doris Schneider, Landesgruppe Bayern

Lageplan

Der Markt Wolnzach (ca. 12.300 Einwohner) ist ein prosperierender Ort im Landkreis Pfaffenhofen a.d. Ilm, mit einem starken Zuwachs an Einwohnern. Der Bedarf an Wohnraum ist entsprechend hoch, die Grundstücks- und Immobilienpreise steigen. Das „mobile Arbeiten“ aktiviert gerade junge Familien sich auf den noch ländlich geprägten Raum, den Wunsch nach einem Eigenheim zu erfüllen.

Die Kommune entspricht dem Wohnungsbedarf einerseits mit der Verdichtung des Marktzentrums, aber auch mit der Neuausweisung von Bauland an den Siedlungsrändern. Ein ISEK- Prozess (integriertes städtebauliches Entwicklungskonzept) gab den Anstoß, die Planungspraxis der Kommune auf den Prüfstand zu stellen. Ein im Vorfeld bereits im Verfahren befindliches Bauleitplanverfahren „Glandergassleiten“, welches eine reine Bebauung mit Einfamilienhäusern und Doppelhäusern vorgesehen hatte, wurde gestoppt. Im ca. 10 ha großen Planungsgebiet hat der Markt Wolnzach einen Flächenanteil von 35%, der Rest der Flächen steht im Eigentum von über einem Dutzend Privatpersonen.

 

Flächenschonender qualitätsvoller Wohnraum für alle Lebenslagen

 

Dieses Ziel hat sich die Kommune für das Handlungsfeld Wohnen gesetzt. Ein neues Wohngebiet mit eigener Identität soll angeboten werden. Das nachbarschaftliche Miteinander soll durch die städtebauliche und freiraumplanerische Struktur angeregt und gefördert werden. Die Gestaltung des Wohnumfelds, der private, halböffentliche und öffentliche Raum, soll von Anfang an in besonderem Maße für eine hohe Wohn- und Aufenthaltsqualität berücksichtigt werden. Neue Fuß- und Radwege sollen das bestehende Wegenetz ergänzen und das Zu-Fuß-Gehen und Radfahren attraktiver machen. Weiter soll mit der besonderen Hanglage am Ortsrand sensibel umgegangen werden. Begleitet von einer externen Fachplanerin Barbara Hummel (Büro Hummel/Kraus) aus München wurde ein Städtebaulicher Realisierungswettbewerb als Instrument zum Erreichen der Planungsziele beschlossen. Im Vorfeld hat sich die Kommune mit folgender Fragestellung beschäftigt:

 

Welche Wohnformen werden benötigt und in welchem Verhältnis?

• Wie schafft man flächensparenden Wohnungsbau mit einer hohen Wohnqualität?

  • Wie entsteht ein nachbarschaftliches Miteinander?
  • Wie geht man mit den erforderlichen Stellplätzen um?
  • Wie erschließt man das Wohngebiet möglichst sparsam?
  • Wie entstehen attraktive und wertvolle Grünräume und Freiflächen?
  • Wie geht man mit dem Ortsrand um?

 

Gute Vorarbeit für ein gutes Ergebnis

Damit den Teilnehmern am Wettbewerb eine ausgereift formulierte Entwurfsaufgabe an die Hand gegeben werden konnte, die nicht nur das Wettbewerbsgebiet im Blickfeld hat, sondern gesamträumliche Ansätze berücksichtigt, hat der Markt Wolnzach u.a. einen Wirtschafts- und Sozialgeographen beauftragt, welcher in Zusammenarbeit mit dem Stadtplaner ein Wohnraumkonzept – also eine ausdifferenzierte Wohnraumanalyse erstellte.

Die Ergebnisse waren beeindruckend. So wurde beispielsweise ermittelt, dass im Markt Wolnzach 262 Häuser von einer Person über 65 Jahre bewohnt werden. Diese Auswertung liefert wichtige Hinweise auf einen vorhandenen Bedarf für Wohnformen in Alter. Es besteht bei älteren Menschen oftmals der Wunsch, das irgendwann alleine bewohnte Haus zu verlassen; mangelnde Barrierefreiheit, kostenaufwändige energetische Sanierungen, zu viel Raum der beheizt werden muss, zu starre Grundrisse, zu viel Garten, der mühsam gepflegt werden muss. In vielen Kommunen fehlt es jedoch an Alternativen, die man diesen eigentlich veränderungswilligen Menschen anbieten könnte. Die Ausdifferenzierung für selbst bestimmtes Wohnen im Alter käme dabei nicht nur älteren Menschen entgegen. Die durch den Umzug der älteren Menschen freiwerdenden Häuser könnten durch zuziehende Familien nachgenutzt werden. Diese so genannten Remanenzeffekte tragen wesentlich zu einem steigenden Wohnflächenbedarf auch bei stagnierender Einwohnerzahl bei. Setzt man ortsübliche durchschnittliche Einwohnerzahlen je Wohneinheit ein, lässt sich die Mindernutzung durch Remanenzeffekte in ein Äquivalent von 170 Bauplätzen für Einfamilienhäuser umrechnen, was wiederum einen sparsamen Umgang mit vorhandenen Flächenpotenzialen darstellt.

 

Integriertes städtebauliches Entwicklungskonzept

Basis der Überlegungen zum Umgang mit dem Wettbewerbsgebiet ist das Wolnzacher integrierte städtebauliche Entwicklungskonzept (ISEK), in dem u. a. die Handlungsfelder Ortsentwicklung, Wohnen, demografische Entwicklung, Grün- und Freiflächen einen großen Bestandteil einnehmen. Der Marktgemeinderat hat die Ziele dieser und weiterer Handlungsfelder in einem Beschluss bestätigt und in die Aufgabenstellung des Wettbewerbs einfließen lassen. Damit bot das ISEK eine gute Basis für die Inhalte des Wettbewerbs.

 

Beratender Bürgerbeirat

Um die Fragen zum Umgang mit Flächen, Gebäudetypen, Bedarfe, Mobilität, Landschaft und Naturräume, Ortsrand, etc. zu erörtern, hat der Markt Wolnzach Repräsentanten der Bürgerschaft, die die Erstellung und Umsetzung des integrierten städtebaulichen Entwicklungskonzeptes von Wolnzach begleiten, aufgefordert sich mit dem Wettbewerbsgebiet unter dem Motto „Wie wollen wir in Zukunft in Wolnzach wohnen“ zu befassen. Die Teilnehmer des Beirats decken alle Schichten der Bevölkerung ab – den jungen Familienvater der gerade zugezogen ist, die Geschäftsfrau, den Single sowie die Senioren.

In mehreren Arbeitssitzungen wurde von dem Beirat erarbeitet, was sich der Bürger wünscht und was es braucht damit das Gebiet auch zu einem guten Wohngebiet wird. Es ist schnell gesagt, dass es neue Wohnformen geben muss, dass man sparsamer mit Flächen umzugehen hat – „aber fangen Sie bitte nicht vor meiner Haustüre an“.

Es wurden die Vor- und Nachteile sowie Bedenken der verschiedenen Wohnformen diskutiert. Wie dicht darf die Bebauung erfolgen damit man sich noch wohlfühlt? Dies wurde abschließend erarbeitet. Die Beiräte haben anhand eines maßstabsgetreuen Planes mit maßstabsgetreuen Bauvorhaben eine verträgliche Wohndichte entwickelt. Allen voran stand immer, dass die Gebäude eine qualitätsvolle Architektur widergeben sollen und dass jede dort lebende Person trotz der Dichte Privatsphäre braucht. Das beauftrage Wohnraumkonzept lag zu diesem Zeitpunkt vor.

 

Der Beirat formulierte Empfehlungen zur Gebäudemischung und dem Umgang mit dem Wohnumfeld. Diese wurden anschließend dem Marktgemeinderat vorgetragen und von selbigen bestätigt und in den Auslobungstext des Wettbewerbs mit aufgenommen.

Bürgerinformation – Über neue Weg informieren

Die Bürgerinnen und Bürger Wolnzachs wurden im Rahmen eines Bürgerdialogs über das Thema „Wie wollen wir zukünftig in Wolnzach wohnen“? informiert. Die Vorträge von 1. Bürgermeister Jens Machold sowie der Stadtplanerin Barbara Hummel und dem Wirtschafts- und Sozialgeographen Dr. Volker Salm leiteten die anschließende sehr konstruktive Diskussion und Ausstellung ein.

Wichtig ist, dass Sie Ihre Bürgerschaft „mitnehmen. Informieren Sie Ihre Bürgerinnen und Bürger über neue Wege die die Kommune einschlägt und verlassen alte Muster und ausgetrampelte Pfade. Die Aufklärung welche Beweggründe es für Ihre Entscheidungen gibt und welchen Handlungsspielraum die Kommune hat ist enorm wichtig im neuen Prozess. Die Bürgerschaft will verstärkt an kommunalpolitischen Entscheidungen teilhaben. Bei Bürgerinformationsveranstaltungen erhalten die Kommunen und Entscheidungsträger sofort ein Feedback – planen Sie als Kommune an der Bürgerschaft vorbei oder wird der neue Weg mitgetragen.

Aus den Köpfen der Menschen muss das oft noch negative Bild vom Geschosswohnungsbau durch gute und qualitätsvolle Planungen ersetzt werden. Bisher war es Standard auf seinem 1000 m² großen Grundstück sein Einfamilienhaus zu bauen. Es reicht nicht aus, einfach die Grundstücksgrößen zu reglementieren, sondern es bedarf vielmehr einer ausgewogenen und qualitätvollen Planung für alle Bevölkerungsschichten.

Dass andere Wohnformen als das typische Einfamilienhaus auch im ländlichen Raum auf dem Markt nachgefragt sind, zeigt auch ein Vergleich der Wohnformen im Markt Wolnzach.

Da im Arbeitsprozess auch immer wieder die demographische Entwicklung des Ortes ein großes Thema war, wurde in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe für Sozialplanung und Alterforschung, Frau Wenng eine weitere Bürgerinformation unter dem Motto: Wie wohnen wenn man älter wird? durchgeführt. Alle Bürgerinnen und Bürger werden hierzu per Postkarte, wie auch bei allen anderen Veranstaltungen eingeladen, aktiv an der Zukunftsgestaltung teilzunehmen. Man muss das Rad nicht neu erfinden. Es gibt viele gute Beispiele, welche Wohnformen in der Praxis wunderbar funktionieren. Hier möchten wir unsere älteren Mitbürgerinnen und Mitbürger im offenen Dialog informieren und so unsere Rückschlüsse für die Wohnentwicklung im neuen Baugebiet ziehen.

 

Öffentliche Ausstellung des Wettbewerbsergebnis

Zuletzt wurde im Rahmen einer Ausstellung das Ergebnis des Wettbewerbs der Öffentlichkeit vorgestellt. Der Bürgerschaft wurde der Sieger des Wettbewerbs nochmals ausführlich erläutert. Durch das Umdenken in der Baulandentwicklung, durch Aufklärung der Bürgerschaft und deren Einbindung in Planungsprozesse konnten im Gebiet Glandergassleiten eine demographiegerechte Ausdifferenzierung der Wohnformen in einer Verträglichen Dichte sowie Akzeptanz erreicht werden. Die Anzahl der Wohneinheiten hat sich im Siegerergebnis auf den Faktor 2,3 erhöht.

Gute Ergebnisse brauchen Zeit

Das ist ein wichtiger Punkt. Genügend Zeit einzuplanen ist oft entscheidend für die Qualität der Ergebnisse, egal ob es um Projekte bei der Arbeit, Lernen für Prüfungen oder die Entwicklung neuer Fähigkeiten geht. In den Jahren 2017-2018 wurde das Thema „Wohnen“ regelmäßig in Bürgerbeteiligungsprozessen bespielt. Anfang 2019 wurde der städtebauliche Wettbewerb ausgearbeitet, so dass Ende 2019 der Gewinner bei einer weiteren Bürgerbeteiligung präsentiert werden konnte. Der Bebauungsplan für die Glandergassleiten ist mitten im Verfahren, die Erschließungsplanung läuft, so dass wir derzeit davon ausgehen, dass die Erschließung 2026 abgeschlossen ist.

Ja, Bürgerbeteiligung kann zu einer höheren Akzeptanz bei neuen Vorhaben führen. Durch die Einbeziehung der Bevölkerung in den Planungs- und Entscheidungsprozess fühlen sich Menschen eher verstanden und berücksichtigt. Dies kann dazu beitragen, Widerstände zu verringern und die Unterstützung für Projekte zu erhöhen, da die Beteiligten die Möglichkeit haben, ihre Bedenken und Vorschläge einzubringen. Außerdem kann Bürgerbeteiligung zur Entwicklung von Lösungen führen, die besser auf die Bedürfnisse und Wünsche der Gemeinschaft abgestimmt sind.

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