“Durchwachsene Stadt” – Verbindliche Regeln und Gesetze für notwendigen Klimaschutz in Stadtplanung und Architektur

Alexandra Czerner, Landesgruppe Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein

Leitbild: Mit der GrünFZ zur grün – durchwachsenen Stadt 

Um die Klima-Problematik in den Städten positiv beeinflussen und abmildern zu können, muss die historisch gewachsene Vorstellung einer „steinernen Stadt“ und die hiermit verbundene Trennung von Natur und Architektur endgültig abgelöst werden. Überall dort, wo in Städten Hitze, CO² und Feinstaub entstehen, braucht es direkt vor Ort Kühlung, Filterung und die Umwandlung von CO² in Sauerstoff. CO2 muss nicht nur in der Produktion vermieden, er muss auch verstärkt verbraucht werden. Eine grundlegende Natur-Durchwachsenheit ist nötig, um den Lebensraum Stadt langfristig gesünder zu gestalten. Städte weltweit wachsen. Je dichter eine Stadt ist, desto grüner muss sie sein: in den Freiflächen, an der Fassade, auf dem Dach, in den Straßenräumen. Luftverbesserung – in Kinderwagenhöhe, in Kopfhöhe, in Fahrradfahrhöhe – ist erforderlich. Die heute vorherrschende überwiegende Versiegelung der Städte befeuert die Überhitzung, schadet dem Grundwassermanagement und verhindert ein aktives flächendeckendes Ökosystem.

Heilung und Lebensvorsorge für urbanen Lebensraum: 

  • Bessere Luftqualität im urbanen Kleinklima durch Grünflächenmaximierung aller Gebäude.
  • Mehr Sauerstoff in der Luft durch pflanzliche Photosynthese. 
  • Luftschadstoffe, Feinstaub, Überhitzungen im Sommer werden durch intensive Bepflanzungen mit resultierenden Verdunstungen und Verschattungen gemildert. 
  • Städte wachsen, das Umland verdichtet zur Stadt– der Lebensraum Stadt muss langfristig grüner und ökologischer gestaltet werden, da das früher teils ausgleichende Umland durch das städtische Wachstum immer weiter in die Ferne rückt.
  • Überschrittene Grenzwerte für NO2 in Städten macht Menschen krank: Diabetes, Asthma, Bluthochdruck (lt. Studie i.A. Umweltbundesamtamt 2018) 
  • Sterbende und brennende Wälder, verunreinigte Meere und versiegelte Städte haben die natürliche Sauerstoffproduktion weltweit reduziert und der CO2 Anteil ist weltweit stark gestiegen- bei gleichzeitigem Wachstum der Bevölkerungsmassen.
Urbaner Lösungswegkatalog mit gerechten Regelungen:
  • Ausgewogenheit von Bebauung und Begrünung für alle Gebäude und Stadträume mit einer Grünflächenzahl verpflichtend für Eigentümer regeln: die GrünFZ neben der GRZ und GFZ in der Baunutzungsverordnung einführen. Verpflichtend für Neubau ab sofort und für Bestände mit 5-Jahres-Frist,
  • Die Grünflächen werden auf dem Grundstück, an den Fassaden und auf dem Dach realisiert.
  • Grenzbebauungen, also die Errichtung von Häusern ohne Grünzone zwischen Haus und Bürgersteig, sind künftig durch entsprechende Regelungen zu verhindern
  • Versiegelte Flächen in der Stadt müssten konsequent aufgebrochen und klimaintensiv begrünt werden. 
  • Entsiegelung der Städte: Straßenflächen reduzieren und in Grünflächen transformieren.
Urbaner Lösungswegkatalog mit gerechten Regelungen:

Das vielbeschworene Prinzip der Freiwilligkeit hat sich in Bezug auf wissenschaftlich erkannte Fehlentwicklungen (Club of Rome 1972) in den letzten 50 Jahren nicht als erfolgreich erwiesen! Weiterhin darauf zu hoffen, ohne bindende Regeln für eine ausreichenden Durchgrünungen, grün durchwachsene Städte zu erreichen ist sinnlos. Fördertöpfe hatten im Verhältnis zum Gesamtvolumen der Städte nur minimale Wirkung. Einige gute Pilotprojekte sind Tropfen auf den heißen Stein! 

Die gerechte Verteilung auf alle Schultern – denn Eigentum verpflichtet –   in Verantwortung für das gemeinsame Klima gelingt nur mit der gesetzlichen Fixierung.  Wer hat Mut, das umzusetzen? Viel Bürgerinnen und Bürger warten seit langem darauf, dass dieser wichtige Schritt als Ergänzung für die anderen Maßnahmen der Klimapolitik endlich Fahrt aufnimmt. 

 

Maßnahmenkatalog

Die GrünFZ
Die GrünFZ (Grünflächenzahl) als verbindliche Kennzahl für alle Bauvorhaben, festgelegt in allen Landesbauordnungen, sowie der Baunutzungsverordnung. Diese funktioniert analog zur GRZ und sichert die ausreichende Begrünung in allen Straßenräume. Eine verbindliche Kennzahl zieht jeden Grund- und Immobilienbesitzer mit in die Verantwortung einen Beitrag zur klimagerechten Stadtentwicklung zu leisten.
 
Nie wieder Grenzbebauung als Leitlinie in der Stadtplanung
Ein festgelegter Abstand von 0,5-1,5m zwischen Fassade und Gehweg/Straße sorgt dafür, dass bodengebundene Begrünung in allen Straßenräumen ermöglicht wird. Ein schmaler Grünstreifen an jeder Gebäudekante ermöglicht neben Büschen und Sträuchern mehrere Quadratmeter Fassadenbegrünung.
 
Entsiegelung der Stadt
Entsiegelung aller geeigneten Flächen zugunsten von intensiver Begrünung, versickerungsfähigen Flächen und Fassadenbegrünungen. Prüfung aller Flächen – auch bereits bestehende Grenzbebauung und dort wo möglich zu Gunsten von bodengebundener Begrünung aufbrechen. Um schnell viele Flächen zu finden, sollten Bürgerinnen und Bürger mit einbezogen werden, welche aktiv Vorschläge für zu entsiegelnde Flächen einreichen können.
 
Regeln für Dachflächennutzung
verbindliche Regelungen für das Begrünen und/oder die Nutzung von Sonnenenergiegewinnung auf allen Dachflächen – Bestand und Neubau.
 
Fassadenbegrünung
Erleichterung der Umsetzung von Fassadenbegrünung für alle Immobilieneigentümer*innen in Bezug auf die Entkopplung von Bauantragsverfahren und das Warten auf Genehmigung.
 

Die „durchwachsene“, klimafreundliche Stadt braucht: 
eine GRÜNFZ

Umsetzung des luftqualitätsorientierten Leitbildes „Durchwachsene Stadt“ mit Hilfe der Baunutzungsverordnung.
Die Baunutzungsverordnung sowie alle Landesbauordnungen sind mit einem Faktor zu versehen, der der Verantwortung jedes Gebäudes für den Klimaschutz und für die Luftqualität in den durch das Gebäude und seine Nutzungsdichte auf dem Grundstück beeinflussten Räumen gerecht wird.
 
Vorgeschlagen ist als einzusetzender Wert hierfür die GRÜNFZ = Grünflächenzahl
 
Durch die GRÜNFZ wird der Grünanteil aller Oberflächen eines Grundstücks inklusive seiner Bebauung festgesetzt und damit seine ökologische Wertigkeit im Rahmen der Verantwortung für die Umwelt und die (Über-) Lebensqualität der Menschen gesichert. Summiert werden die zum Außenraum offenen Grundstücksflächen, die Fassadenflächen und die Dachflächen. Diese Summe insgesamt bildet die Grundlage für die Berechnung der zu realisierenden Grünflächen mittels der GRÜNFZ. Die Berechnung orientiert sich an der bereits etablierten GRZ. Nur durch eine klare und für alle Gebäude gerechte Regelung, welche die individuellen Dimensionen und die Dichte eines Bauvorhabens berücksichtig, kann für jedes Projekt ein fairer Wert ermittelt werden. Jeder Eigentümer kann in die Verantwortung gezogen werden, seinen Beitrag zum Umweltschutz und für ein besseres Stadtklima zu leisten.
 
Die GRÜNFZ am vereinfachten Beispiel
In sehr hochverdichteten Stadtgebieten mit stark versiegelten Grundstücksflächen muss der Begrünungsnachweis, sofern eine Entsiegelung nicht möglich ist, über Dach und Fassadenflächen erfolgen. Dies ist ein vereinfachtes Beispiel, Fensterflächen sind selbstverständlich angemessen zu berücksichtigen.
 
Vollversiegelung
Grundstücksfläche = 400m²
nach außen wirkende Grundstücksfläche = 300m²
Fassadenfläche 4x = 400m²
Dachfläche = 100m²
Oberfläche gesamt = 800m²
Dies entspricht einer GRÜNFZ von 0. 
Dieser Wert ist inakzeptabel!
 
Vollversiegelung, cga czerner göttsch architektur + stadtplanung
Vollversiegelung, cga czerner göttsch architektur + stadtplanung
Gründach
nach außen wirkende Gesamtoberfläche = 800m²
begrünte Fläche = 100m²
GRÜNFZ (100m²/800m²) = 0,125
Bei einer vollflächigen Dachbegrünung würde in
diesem Beispiel eine GRÜNFZ von 0,125 erreicht.
 
Gründach, cga czerner göttsch architektur + stadtplanung
Gründach, cga czerner göttsch architektur + stadtplanung
Gründach + Fassade
nach außen wirkende Gesamtoberfläche = 800m²
begrünte Fläche = 200m²
GRÜNFZ (200m²/800m²) = 0,25
Bei einer vollflächigen Dachbegrünung inklusive einer Fassadenseite würde in diesem Beispiel eine GRÜNFZ von 0,25 erreicht.
Gründach + Fassade, cga czerner göttsch architektur + stadtplanung
Gründach + Fassade, cga czerner göttsch architektur + stadtplanung
Die GRÜNFZ am vereinfachten Beispiel 
 
In Stadtgebieten und Siedlungsräumen mit geringerer Gesamtdichte wird der zu realisierende Grünanteil auf dem Grundstück und den Dachflächen ggf. ausreichen. Dies ist ein vereinfachtes Beispiel, Fensterflächen sind je nach Projekt angemessen zu berücksichtigen und weitere Fassadenflächen anteilig zu begrünen.
 
Gartenfläche
nach außen wirkende Gesamtoberfläche = 800m²
begrünte Fläche = 300m²
GRÜNFZ (300m²/800m²) = 0,375 (abzgl. Erschließung/Technik/Konstruktion)
Bei einem vollflächig begrünten Grundstück würde in diesem Beispiel eine GRÜNFZ von 0,375 erreicht.
Gartenfläche, cga czerner göttsch architektur + stadtplanung
Gartenfläche, cga czerner göttsch architektur + stadtplanung
Gartenfläche + Gründach
nach außen wirkende Gesamtoberfläche = 800m²
begrünte Fläche = 400m²
GRÜNFZ (400m²/800m²) = 0,5 (abzgl. Erschließung/Technik/Konstruktion)
Bei einem vollflächig begrünten Grundstück ergänzt durch eine vollflächige Dachbegrünung würde in diesem Beispiel eine GRÜNFZ von 0,5 erreicht.
Gartenfläche + Gründach, cga czerner göttsch architektur + stadtplanung
Gartenfläche + Gründach, cga czerner göttsch architektur + stadtplanung
Gartenfläche + Gründach + Fassade
nach außen wirkende Gesamtoberfläche = 800m²
begrünte Fläche = 500m²
GRÜNFZ (500m²/800m²) = 0,625 (abzgl. Erschließung/Technik/Konstruktion)
Bei einem vollflächig begrünten Grundstück ergänzt durch eine vollflächige Dachbegrünung inklusive einer Fassadenseite würde in diesem Beispiel eine GRÜNFZ von 0,5 erreicht.
 
Gartenfläche + Gründach + Fassade, cga czerner göttsch architektur + stadtplanung
Gartenfläche + Gründach + Fassade, cga czerner göttsch architektur + stadtplanung
Es ist selbsterklärend, dass sich eine natürliche Grünfläche nicht mit einer extensiven Dachbegrünung vergleichen oder durch diese ersetzen lässt. Daher muss die zuvor stark vereinfachte Darstellung und Berechnung durch die unterschiedlichen ökologischen Wertigkeiten der einzelnen Begrünungsmethoden ergänzt werden.
 
Hierbei wird der Faktor „2“ für eine begrünte Grundstücksfläche mit einer üppigen Bepflanzung festgelegt. Bodengebundene Fassadenbegrünung erhält einen Faktor „1“ und objektgebundene Begrünungsflächen „0,5“. So wird jede Grünfläche entsprechend Ihrem Beitrag zur Regenwasserversickerung, Verbesserung des Stadtklimas, Förderung der Biodiversität u.v.m bewertet und berücksichtig. Die Faktoren müssen selbstverständlich von der Politik in Beratung mit Grün- und Klimaschutz – Expert*Innen sorgfältig berechnet und festgesetzt werden.
 
Diese verbindliche Regel ist dringend notwendig um langfristig keinen weiteren Verlust an ökologisch wertvollen Grünflächen verzeichnen zu müssen, sondern tendenziell einen Anstieg ohne dabei auf Neubau verzichten zu müssen.
 
Gartenfläche + Gründach
nach außen wirkende Gesamtoberfläche = 800m²
üppig bepflanze Grundfläche (2*300m²) = 600m²
Dachbegrünung (0,5*100m²) = 50m²
GRÜNFZ (650m²/800m²) = 0,81
Gartenfläche + Gründach, cga czerner göttsch architektur + stadtplanung
Gartenfläche + Gründach, cga czerner göttsch architektur + stadtplanung
Gartenfläche + Gründach + Fassade
nach außen wirkende Gesamtoberfläche = 800m²
üppig bepflanze Grundfläche (2*300m²) = 600m²
Dachbegrünung (0,5*100m²) = 50m²
bodengebundene Fassadenbegrünung (1*100m²) = 100m²
GRÜNFZ (750m²/800m²) = 0,94
Gartenfläche + Gründach + Fassade, cga czerner göttsch architektur + stadtplanung
Gartenfläche + Gründach + Fassade, cga czerner göttsch architektur + stadtplanung

Die „durchwachsene“, klimafreundliche Stadt braucht: 
Nie wieder Neuplanung klimaschädlicher Grenzbebauungen

Umsetzung des luftqualitätsorientierten Leitbildes „Durchwachsene Stadt“ mit Hilfe der Baunutzungsverordnung. In der Baunutzungsverordnung sowie in alle Landesbauordnungen ist ein verbindliches Verbot für Grenzbebauung im Neubau festzusetzen!

Ein festgelegter Abstand von 0,5 m bis 1,5 m zwischen Fassade und Gehweg/Straße sorgt dafür, dass es in jeder Straße Platz für Bepflanzung auf Kinderwagen-, Radfahrer- und Fußgängerhöhe entsteht. Eine Verbesserung der Luftqualität in allen Straßen sowie optisch anspruchsvolle Gehwege sind u.a. die positiven Auswirkungen dieses Lösungsvorschlages.
Mit einem halben Meter Platz zwischen Fassade und Gehweg lassen sich ggf. mehrere dutzend m² Fassadenbegrünung verwirklichen, aber auch gehwegbegleitende Büsche und Bäume erfüllen ihren Beitrag zum Klimaschutz in alle Straßen und Gassen. Nur das Verbot von Grenzbebauung ermöglicht es auch in dicht besiedelten Innenstadtgebieten die geforderte GRÜNFZ erreichen zu können.
 
Grenzbebauung
Nur Dachbegrünung auf dem Grundstück möglich, wodurch kein 100%iger Grünflächenausgleich geschaffen werden kann.
Grenzbebauung, cga czerner göttsch architektur + stadtplanung
Grenzbebauung, cga czerner göttsch architektur + stadtplanung

1,5m Gehwegbegrünung
Ermöglicht neben kleinen Bäumen und Büschen auch bodengebundene Fassadenbegrünung, wodurch ein besserer Grünflächenanteil geschaffen werden kann.

1,5m Gehwegbegrünung, cga czerner göttsch architektur + stadtplanung
1,5m Gehwegbegrünung, cga czerner göttsch architektur + stadtplanung

Stadt in der Gegenwart

  • Hoher Versiegelungsgrad
  • Hoher Verkehrsflächenanteil
  • „Nackte Fassaden“
  • Wenig Versickerungsflächen
  • Wenig Raum für Biodiversität
  • Negative Luftkennwerte
  • Überhitzung der Städte
  • Überlastung der Abwassersysteme bin 
  • hin zu Überflutungen Insektensterben
Stadt in der Gegenwart, cga czerner göttsch architektur + stadtplanung
Stadt in der Gegenwart, cga czerner göttsch architektur + stadtplanung

Stadt in der Zukunft

  • Effektive und ökologische Oberflächennutzung
  • Entsiegelung nicht genutzter Versiegelungsflächen
  • und Reduzierung von Verkehrsflächen
  • Grünflächengarantie durch geregelte GrünFZ
  • Raum für Biodiversität
  • Straßen zu Radwegen umfunktionieren
  • Ortsnahe Sauerstoffproduktion und 
  • Schadstofffilterung auf Atemhöhe
  • Regenwasserspeicherung und Anstieg 
  • des Grundwasserspiegels
  • Verbesserte Lebensbedingungen 
  • Wiederbelebung der Artenvielfalt 
  • Kühlung der Gebäude und Umgebungen 
  • durch vielfältige Begrünung
Stadt in der Zukunft, cga czerner göttsch architektur + stadtplanung
Stadt in der Zukunft, cga czerner göttsch architektur + stadtplanung

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