Auf dem Weg zu einer so-zial-gerechten, inklusiven und nachhaltigen Stadt – Das Pergolenviertel

Hans-Peter Boltres, LG Nord

Bodenpolitik mittels Konzeptausschreibungen 

 

Ein neues Stück Stadt entsteht. Dabei wird dem hohen Bedarf an Wohnraum in Hamburg nachgekommen und gleichzeitig eine Qualität des Städtebaus und der Grün- und Freiräume geschaffen die Beispielgebend ist. Von Anfang an liegt das Augenmerk auf bodenpolitischen Instrumenten und der Förderung des gemeinschaftlichen Zusammenhalts in dem neuen Stadtteil.

In unmittelbarer Nähe zum Hamburger Stadtpark und der City Nord entsteht seit 2010 zwischen der Hebebrandstraße und der Alten Wöhr das Pergolenviertel. Auf rund 8 Hektar Wohnbaufläche werden gut 1.700 Wohnungen realisiert, knapp 60 % davon öffentlich gefördert. 

Das Quartier vereint eine Vielzahl unterschiedlicher Nutzungskonzepte, von Miet- und Eigentumswohnungen über Baugemeinschaften bis hin zu Pflegewohngemeinschaften, sozialen Einrichtungen sowie Grün- und Freiflächen und Kleingärten auf insgesamt 14 ha. Neben den neuen Wohnungen konnten 170 Kleingärten erhalten und geschickt in die Freiraumgestaltung des Viertels eingebunden werden.

 

Planung im Dialog

Bereits die Rahmenplanung für das Pergolenviertel wurde seit 2010 ämterübergreifend unter Einbindung der Politik und verschiedener lokaler Experten in gemeinsamen Gesprächen entwickelt. Im Jahr2011 fand ein um-fangreicher Beteiligungsprozess statt, in den sich viele Bürgerinnen und Bürger eingebracht haben. Als Ergebnis wurden verschiedene Leitsätze und Anforderungen, z.B. an die Architektur, den Städtebau und die Freiraumgestaltung des Quartiers sowie an die Angebote im Quartier formuliert, die in die weiteren Planungen eingeflossen sind. Der weitere Planungs- und Umsetzungsprozess wurde seit Ende 2011  durch das Forum Pergolenviertel (ehemals Forum Hebebrandquartier und Planungsbeirat Pergolenviertel) sowie der von verschiedenen sozialen Trägern gebildeten AG Leben im Pergolenviertel kritisch und konstruktiv begleitet. Namensgeber für das Viertel sind die über 100 Pergolen, die sich über die Wege rund um die Kleingartenanlagen spannen. Der Name wie auch die Gestaltung sind in Workshops mit dem Planungsbeirat und wohnungswirtschaftlichen Experten entwickelt worden. Übrigens ebenso wie die Straßen-, Wege und Platznamen (Weg bei den Gärten, Winterlindenweg, Loki-Schmidt-Platz und Feldahornweg). Das Pergolenviertel wird durch diese Art der Planung im Dialog ein ganz besonderes vielseitiges Quartier und es soll nach dem Einzug der Bewohner begleitet durch das neue Quartiersmanagement mit Leben gefüllt werden.

Durch das hohe Engagement aller Beteiligter (aus der Verwaltung sowie Bürgerinnen und Bürger, Kleingartenpächter, soziale Träger, Wohnungswirtschaft), die die Planung seit vielen Jahren intensiv begleiteten und gestalten, entsteht nun ein buntes Viertel mit einer vielfältigen Mischung an Wohnformen und Angeboten.

Hier ein paar Fakten:
 
  • 22 Bauherren davon mit SAGA, fünf Genossenschaften und acht Baugemeinschaften überwiegend klassische Bestandshalter
  • Gut 1.400 Wohnungen davon knapp 60% geförderter Wohnungsbau
  • 65% WE mit familienfreundlichen Wohnungsgrößen
  • Darunter 150 Wohnplätze für verschiedene soziale Wohnformen (z.B. Wohnpflegegemeinschaften)
  • 200 Studierendenwohnungen
  • 300 Kita Plätze
  • 170 nachverdichtete Kleingärten
  • Insgesamt 14ha Grün- und Kleingartenflächen
  • Dialogorientierter ämterübergreifender Prozess seit 2010
  • Durchgängige Beteiligung der Öffentlichkeit: Bereits vor der Planung bis zum bewohnten  Quartier
  • Gestaltungsleitfaden und Mobilitätskonzept
  • Gemeinsame Abstimmungsrunden (Vernetzung) mit den zukünftigen Bauherren und mit den sozialen Trägern schon in der Planungsphase
  • Gestaltungsleitfaden (Hochbau und Landschaftsplanung)
  • Dichte soziale Infrastruktur mit vielen Gemeinschaftsräumen
  • Lehrschwimmbad und Bewegungsräume
  • Mobilitätsstation und Bundes-Förderung des Fahrradverkehrs
  • Externes Quartiersmanagement, das bereits vor Bezug startet (finanziert über Grundstücksverkäufe)
Quartiersplan, Quelle: Freie und Hansestadt Hamburg, Landesbetrieb Geoinformation und Vermessung (Bearbeitung: Bezirksamt Hamburg-Nord, Management des öffentlichen Raums bzw. steg Hamburg mbH), Stand: April 2019
Quartiersplan, Quelle: Freie und Hansestadt Hamburg, Landesbetrieb Geoinformation und Vermessung (Bearbeitung: Bezirksamt Hamburg-Nord, Management des öffentlichen Raums bzw. steg Hamburg mbH), Stand: April 2019

Ein Quartier aus einem Guss

Im Sommer 2012 konnten die Büros e2a eckert eckert architekten ag aus Zürich und Lichtenstein Landschaftsarchitekten aus Hamburg im Sommer 2012 für sich entscheiden. Im Sommer 2012 wurde der Entwurf von e2a eckert eckert architekten ag aus Zürich und Lichtenstein Landschaftsarchitekten aus Hamburg als gelungenes Zusammenspiel von Wohnungsbau, Kleingärten und vorhandenen Grünstrukturen, mit einer hohen städtebauliche Qualität und eigener Identität im städtebaulichen und landschaftsplanerischen Wettbewerb ausgewählt. Das gemeinsam mit dem Planungsbeirat und der Wohnungswirtschaft entwickelte gestalterische Leitbild, orientiert sich an der für Hamburg identitätsstiftenden Backsteinarchitektur der 1920er-Jahre, die zeitgemäß interpretiert wurde. Den ruhigen Rahmen für das vielseitige Quartier bietet somit die zusammenhängende Architektur der großformatigen Gebäude mit den großen Innenhöfen.

 

Bodenpolitische Instrumente der Umsetzung

Das Areal des heutigen Pergolenviertels war seit dem 2. Weltkrieg mit 330 Kleingärten belegt und im Eigentum der Freien und Hansestadt Hamburg. Hier waren zu Zeiten des Naziregimes Sportanlagen und in der Nachkriegszeit planungsrechtlich eine Umgehungsstraße bzw. ein Autobahnzubringer vorgesehen. Die in der Nachkriegs-zeit für Behelfsheime und Notunterkünfte genutzten Kleingärten belegten eine Fläche zwischen der City Nord – einem ausschließlich Konzernzentralen  vorbehaltenen Gebiet – und dem beliebten Arbeiterstadtteil Barmbek, der auf städtebauliche Konzepte von Fritz Schumacher zurückgeht. Zwar stellte die FHH bereits 1997 einen Großteil der Flächen im Flächennutzungsplan als Wohnbaufläche dar, eine Entwicklung scheiterte bis dato allerdings an dem Widerstand der Kleingärtner. 

Es lag also nahe, nach den bereits geschilderten Maßnahmen einer sehr behutsamen und auf umfassenden Beteiligungsprozessen fußenden Stadtentwicklung nicht nur auf einen besonders schonenden Umgang mit der knappen Ressource Boden zu achten, sondern mit der Vergabe städtischen Grundes all die wohnungs-, stadt(teil) entwicklungs- und sozialpolitischen Ziele umzusetzen, die eine lebenswerte, sozial-gerechte, inklusive und nachhaltige Stadtentwicklung auszeichnen.

Das zu Beginn der Umsetzung des Pergolenviertels noch relativ neue Verfahren der Grundstücksvergabe mit dem Vorrang der Konzeptqualität (=Konzeptausschreibungen) räumt den qualitativen Aspekten 70 % in der Bewertung und dem erzielbaren Preis 30 % in der Bewertung eines Angebots für ein ausgeschriebenes Grund-stück ein. Im Beispiel in der Anlage lässt sich die Gestaltung einer solchen Konzeptausschreibung gut nachvoll-ziehen. In die qualitativen Kriterien gehen u.a. ein: 

  • wohnungspolitische Aspekte (z.B. Anteil förderfähiger Wohnungen, besondere Wohnformen etc.),
  • sozialräumliche Angebote (z.B. Gemeinschaftsräume, Kooperation mit sozialen Trägern 
  • Nachhaltigkeitskriterien (Effizienzstandard, ökologische Baustoffe etc.), 
  • Qualitätssichernde Maßnahmen (konkurrierende Gutachterverfahren, Workshops mit allen beteiligten Planern vor Bauantragsstellung, Fassadenbemusterung etc.)
  • Vom Bieter frei wählbare zusätzl. Angebote (so ist im Pergolenviertel z.B. ein Schwimmbad entstanden…)

Dabei wird ein Mindest-Standard vorausgesetzt, der zu bieten ist. Angebote über dem Mindest-Standard erhalten entsprechend einer mit allen beteiligten Ressorts abgestimmten Bewertungsmatrix mehr Punkte bis zu einem Höchstwert von 700 (=70 %).

Ein weiterer essenzieller Faktor für die Erreichung wohnungspolitischer Ziele ist der damalige Senatsbeschluss zum sogenannten Drittelmix: ein Drittel der entstehenden Wohnungen sollen gefördert, ein Drittel frei finanzierte Mietwohnungen und ein Drittel Eigentumswohnungen sein. Außerdem sollen 20 % der Wohnungen für Baugemeinschaften (in den unterschiedlichsten Eigentumsformen) reserviert werden. Im Falle des Pergolenviertels ist vom Drittelmix abgewichen worden. Basis war ein Beschluss der Bezirksversammlung Hamburg-Nord, der vorsah, dass wegen der damals schon steigenden Mieten im Umfeld des Pergolenviertels, 60 % der entstehenden Wohnungen gefördert werden sollten. Dieser Beschluss wiederum ging auf ein Wohnungsmarktgutachten zurück, das die Verwaltung im Vorfeld vergeben hatte, um die zu Beginn geäußerten Befürchtungen eines „sozialen Brennpunkts“ zu entkräften.

 

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