Hemelingen: Ein Haus für unsere Freundschaft e.V.

Luisa Metzgen, Studierende an der Hochschule Bremen

Beitrag aus dem Seminar „Quartiersforschung“ im Lehrgebiet „Theorie der Stadt“ an der School of Architecture Bremen, WiSe 2023/2024.

 

Welchen Einfluss hat die Einrichtung auf das Quartier in Hinblick auf Integration und kulturelle Vielfalt? – oder: Kritik an einer zu eng gefassten, räumlichen Begrenzung sozialer Förderproramme

Im Laufe meiner Quartiersforschung im Lehrgebiet „Theorie der Stadt“ im Wintersemester 2023/24 habe ich mich mit den Themen Integration und kulturelle Vielfalt auseinandergesetzt. Auf dieser Grundlage werde ich im Folgenden den Ortsteil Hemelingen näher betrachten. 

Hemelingen befindet sich im Bremer Osten und ist ein Arbeiterstadtteil mit rund 10.000 Einwohner:innen. Durch die Ansiedelung verschiedener großer Industriebetriebe kamen in den 1950er- und 1960er-Jahren viele Arbeiter:innen aus Polen und der Türkei nach Deutschland und fanden hier eine neue Heimat. Heute haben über 50% der Einwohner:innen einen Migrationshintergrund und Hemelingen gilt als Integrationsstandort in Bremen (vgl. Soziale Stadt Bremen: Hemelingen).

Meine Forschungsfrage bezog sich darauf, welchen Einfluss die Einrichtung Ein Haus für unsere Freundschaft e.V. auf die Integration und kulturelle Vielfalt im Quartier hat. Dafür habe ich ein Gespräch mit dem Geschäftsführer der Einrichtung und einer mitarbeitenden Person geführt. Durch das Gespräch habe ich feststellen müssen, dass eine Betrachtung der Einrichtung auf Quartiersebene nicht ganz einfach, bzw. nicht sinnvoll ist. Dies wird im weiteren Verlauf ausgeführt.

Homepage des Vereins „Ein Haus der Freundschaft“, Screenshot (Ausschnitt). Zugriff am 20.5.2024.
Homepage des Vereins „Ein Haus der Freundschaft“, Screenshot (Ausschnitt). Zugriff am 20.5.2024.

Ein Haus für unsere Freundschaft

Ein Haus für unsere Freundschaft e.V. ist ein interkultureller Jugend- und Freizeitverein in Hemelingen mit dem Schwerpunkt der sozialraumorientierten, offenen Kinder- und Jugendarbeit (vgl.: Ein Haus für unsere Freundschaft: Homepage). Dort können verschiedene Angebote, wie gemeinsames Kochen, Essen und Spielen, aber auch kostenlose Ausflüge, wie zum Beispiel Kinobesuche, wahrgenommen werden. Donnerstags ist Mädchentag. An diesem Tag liegt der Fokus auf der persönlichen Interessensfindung und -auslebung von Mädchen, um ihre Selbstständigkeit und Selbstbestimmtheit zu fördern (ebd.: Interkulturelle Mädchenarbeit). Auch das Bremer Jugendtonstudio ist Teil der Einrichtung: dort können musikalische und technische Fähigkeiten entdeckt und erlernt werden (ebd.: Jugendtonstudio). Zwei weitere Schwerpunkte der Einrichtung sind die projektbezogene Integrationsarbeit, sowie Sprach- und Integrationskurse in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) (ebd.: Homepage). Im Leitbild der Einrichtung heißt es zusammenfassend: „Insgesamt tragen die Angebote des „Ein Haus für unsere Freundschaft e.V.“ zur Förderung der allgemeinen, beruflichen und persönlichen Entwicklung bei und dienen somit auch unter anderem der (Weiter-) Entwicklung des demokratischen Gemeinwesens“ (ebd.: Leitbild).


Nukleus mit großer Strahlkraft

Das Einzugsgebiet der Einrichtung beschränkt sich weder nur auf das umliegende Quartier, wie auch immer man dieses definiert, noch auf den Ortsteil Hemelingen oder den gesamten Stadtteil Hemelingen, bestehend aus Hastedt, Sebaldsbrück, Hemelingen, Arbergen und Mahndorf. Unter anderem wegen der Sprachkurse, die im Haus für unsere Freundschaft vormittags stattfinden, wird ein viel größeres Feld abgedeckt. Das Einzugsgebiet reicht dann bis nach Weyhe und Fischerhude, und somit über die Stadtgrenzen Bremens hinaus (Interview mit Geschäftsführer und Mitarbeiter). Die Einrichtung ist für viele Menschen mit Migrationsgeschichte durch verschiedene Aktivitäten und Hilfestellungen seit Jahren eine wichtige Stütze und somit ein bedeutender Bestandteil unserer Gesellschaft. Auch findet eine starke Identifikation mit der Einrichtung und ihren Mitarbeiter:innen statt. Eine Betrachtung der Einrichtung auf Quartiersebene wäre somit viel zu kurz gedacht und würde der Arbeit, die dort geleistet wird, nicht gerecht werden.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Ein Haus für unsere Freundschaft e.V. einen wichtigen Beitrag zur Förderung des interkulturellen Verständnisses und zur Schaffung eines vielfältigen und inklusiven Miteinanders in ganz Bremen und darüber hinaus leistet.


Fördergebiete mit fehlender Weitsicht

Die Einrichtung wird durch das Programm Wohnen in Nachbarschaften (WiN) gefördert. WiN ist ein Förderprogramm der Stadt Bremen, das 1998 ins Leben gerufen wurde. Es zielt darauf ab, der zunehmenden Spaltung der städtischen Gesellschaft entgegenzuwirken, indem die Lebensbedingungen in benachteiligten Stadtteilen verbessert und Nachbarschaften gestärkt werden sollen. Das Programm bietet verschiedene Maßnahmen zur Unterstützung der Bewohner:innen durch die Förderung des sozialen Miteinanders und der Steigerung der Lebensqualität vor Ort. Dazu zählen beispielsweise Projekte, die zur Integration beitragen, wie Sprachkurse und interkulturelle Kinder- und Jugendarbeit, wie es bei Ein Haus für unsere Freundschaft e.V. der Fall ist (vgl. Soziale Stadt Bremen: WiN Förderprogramm).

Das Fördergebiet umfasst jedoch lediglich den Ortsteil Hemelingen und nicht den Stadtteil, der aus vier weiteren Ortsteilen besteht. Durch die daraus resultierende fehlende Fördermöglichkeit muss der Kids Club Sebaldsbrück, ein Projekt von Ein Haus für unsere Freundschaft e.V., ab April 2024 – nach vierzehn Jahren erfolgreicher Arbeit – seine Türen leider schließen (Interview). Beim Kids Club Sebaldsbrück handelte es sich um ein Projekt, das sich hauptsächlich an Kinder und Jugendliche aus der Eisenbahnersiedlung in Sebaldsbrück richtete, und damit stadtteilübergreifend wirkte. Diese Siedlung ist von einer strukturellen Unterversorgung sozialpädagogischer Einrichtungen und Projekte betroffen. Das Projekt bot Kindern im Alter von sechs bis zwölf Jahren die Möglichkeit, einmal wöchentlich an Aktivitäten, wie zum Beispiel an gemeinsamem Spielen und Ausflügen teilzunehmen, die aufgrund sozialer Benachteiligung ansonsten nicht möglich wären (Ein Haus für unsere Freundschaft: Kids Club Sebaldsbrück).


Fazit

Die Bedeutung von Kultureinrichtungen wie Ein Haus für unsere Freundschaft e.V. ist enorm. Durch die niedrigschwelligen Angebote dienen sie als Begegnungs- und Kommunikationsräume für Menschen unterschiedlichster Herkunft. Angesichts des bedrohlichen Rechtsrucks in unserer Gesellschaft und des neurechten Diskurses um „Remigration“ (vgl. Klaus und Stoll, 2024) ist ihre Rolle unverzichtbar. Daher ist es bedauerlich, dass Förderprogramme wie WiN sich so stark auf räumlich administrative Grenzen beschränken müssen. Wäre eine sozialräumliche Betrachtung, die ein möglichst flächendeckendes Netz über den Ortsteil hinaus abdeckt, nicht wesentlich sinnvoller und fairer? 


Literatur

Ein Haus für unsere Freundschaft e.V. (o. Datum): Homepage der Einrichtung, sowie die Seiten: Interkulturelle Mädchenarbeit, Leitbild, Kids Club Sebaldsbrück und Jugendtonstudio, aufgerufen am 17.01.2024 unter https://www.einhausfuerunserefreundschaft.de/

Klaus, Julia und Stoll, Ulrich (2024): Die gefährlichen Pläne von Martin Sellner, in: ZDF, 21.03.2024, aufgerufen am 22.03.2024 unter https://www.zdf.de/nachrichten/politik/deutschland/remigration-martin-sellner-afd-buch-einreiseverbot-100.html

Soziale Stadt Bremen (o. Datum): Hemelingen, aufgerufen am 09.02.2024 unter https://www.sozialestadt.bremen.de/foerdergebiete/hemelingen-3689 

Soziale Stadt Bremen (o. Datum): WiN Förderprogramm, aufgerufen am 09.02.2024 unter https://www.sozialestadt.bremen.de/programme/win-wohnen-in-nachbarschaften-3534


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert