Klimaschutz im Quartier. Das Beispiel Ellener Hof

Laura Conrad, Studierende an der Hochschule Bremen

Klimaschutz im Quartier. Das Beispiel Ellener Hof

Beitrag aus dem Seminar „Quartiersforschung“, Lehrgebiet „Theorie der Stadt“, School of Architecture Bremen, WiSe 2023/2024. 

Abb. 1: Lageplan/ Städtebauliches Konzept: Ellener Hof. © DeZwarteHond./RMP Stefan Lenzen Landschaftsarchitekten, Quelle: Stadtleben Ellener Hof: Broschüre Stadtleben Ellener Hof – Aktuelle Projekte, 07/2020, S. 6.
Abb. 1: Lageplan/ Städtebauliches Konzept: Ellener Hof. © DeZwarteHond./RMP Stefan Lenzen Landschaftsarchitekten, Quelle: Stadtleben Ellener Hof: Broschüre Stadtleben Ellener Hof – Aktuelle Projekte, 07/2020, S. 6.

Das Quartier

Der Begriff „Quartier“ kann je nach Zusammenhang in seiner Bedeutung variieren und unterliegt keiner allgemeingültigen Definition, vielmehr einer subjektiven Wahrnehmung (vgl. Schnur, 2021, S.1). Grundlegend können Quartiere jedoch als alltägliche Lebensräume und städtebauliche Handlungsräume verstanden werden (vgl. BBSR, 2013, S.5). 

Jedes Quartier ist dabei aber durch seine Vielfalt und Prozesshaftigkeit einzigartig, eine klare räumliche Abgrenzung ist vor allem auf sozialer Ebene deswegen kaum möglich. Vielmehr gibt es einen Quartierskern mit einem unscharfen Randbereich (vgl. Schnur, 2014, S.15ff.). Die Größe wird so definiert, dass ein Quartier als Sozial- und Interaktionsraum funktionieren muss. Menschen begegnen sich, kommunizieren miteinander, orientieren sich und sind in der Lage, soziale Beziehungen zu pflegen. Gleichzeitig bietet ein Quartier im Nahbereich alltagsnotwendige Erwerbs-, Versorgungs- und Regenerationsmöglichkeiten für alle Alters- und Sozialgruppen (vgl. BBSR, 2013, S.6).

Quartiere befinden sich im kontinuierlichen Wandel und sind je nach gesellschaftlichen Werten und den individuellen Anforderungen der Bewohner:innen anpassungsfähig (vgl. Schnur, 2014, S.15).

 

Klimaschutz im Quartier

Der Klimawandel spielt heutzutage eine so bedeutende Rolle wie kaum zuvor. Insbesondere in urbanen Gebieten kommt dem Klima- und Umweltschutz eine herausragende Bedeutung zu, da die verdichteten Siedlungsstrukturen und die hohe Bevölkerungsdichte hier zu vergleichsweise erhöhten CO2-Emissionen führen (vgl. SRU, 2020, S.404f.).

Klimaschutz wird oft als globale Herausforderung betrachtet, kann jedoch auf Quartiersebene bereits Bedeutendes bewirken. Es stellen sich also die folgenden Fragen: Inwiefern können Menschen im Quartier zum Klimaschutz wirksam beitragen? Welche konkreten Maßnahmen können von den Bewohnenden getroffen werden, um die CO2-Emissionen zu verringern? Welche Rolle spielen lokale Initiativen und Gemeinschaftsprojekte bei der Förderung von umweltfreundlichen Verhalten und nachhaltiger Lebensweise? Und wie beeinflusst Klimaschutz die Lebensqualität und das Zusammenleben in Quartieren?

 

Klimaschutz in Bremen

Klimaschutz wird sowohl auf internationaler als auch auf nationaler Ebene durch verschiedene Strategien und Ziele angestrebt. Die einzelnen Bundesländer in Deutschland verfolgen zusätzlich zu diesen Programmen eigene Strategien und Zielsetzungen, um die CO2-Emissionen zu verringern und zukünftiges Leben zu gewährleisten. Bis 2038 soll eine Reduzierung der CO2-Emissionen um 95% im Vergleich zum Jahre 1990 erstrebt werden.  Im Juni 2022 veröffentlicht der Senat der Freien Hansestadt Bremen die Klimaschutzziele für die kommenden Jahrzehnte und beleuchtet hierbei die einzelnen Sektorziele „Energie/Abfall“, „Industrie“, „Gebäude/Wohnen“ und „Verkehr/Mobilität“ (vgl. Freien Hansestadt Bremen, 2022, S.6). 

Neben der Dekarbonisierung der Strom- und Wärmeerzeugung, soll ebenfalls an Gesetzen zur Solarpflicht gearbeitet werden. Erneuerbare Energien sollen vermehrt verwendet und verbessert werden. Auch die Mobilität innerhalb der Stadt soll verändert werden, indem der Anteil am Autoverkehr gesenkt wird und der bestehende Straßenraum stärker für Fußverkehr, Radverkehr, ÖPNV und dem öffentlichen Raum nutzbar wird. Erstrebenswert ist ebenfalls ein bestimmter energetischer Standard, den private und öffentliche Gebäude erfüllen sollen (ebd., S.7ff.). 

 

Blau-grün-graue Infrastrukturen

Blau-grün-graue Infrastrukturen beschreiben einzelne Infrastrukturbausteine einer Stadt. Sie gelten als grün, wenn sie sichtbar durch Pflanzen bewachsen sind und als blau, wenn Wasser oberflächlich sichtbar ist. Sind keine grünen oder blauen Elemente sichtbar und der Infrastrukturbaustein beschränkt sich auf rein technische Maßnahmen, so gilt der Baustein als grau (vgl. Trapp und Winker, 2020, S.15f.).

Das Schaffen von blau-grünen Infrastrukturen innerhalb einer Stadt sorgt für den Erhalt biologischer Vielfalt. Auch Schutz vor Hitze und Verbesserung der Luftqualität kann durch das Anpflanzen von Bäumen gewährleistet werden. Neben klimafreundlichen Aspekten haben blau-grüne Infrastrukturen ebenfalls eine soziale Funktion und können als Orte der Erholung oder Orte des Zusammenkommens genutzt werden (ebd., S.26f.).

 

Ellener Hof

Als Beispielprojekt für die Frage, wie Menschen im Quartier wirksam zum Klimaschutz beitragen können und welche positiven Auswirkungen Klimaschutz auf die Lebensqualität in einem Quartier haben kann, wird der Ellener Hof betrachtet.

In Bremen Osterholz entsteht seit 2015 das Stiftungsdorf Ellener Hof: Ein Quartier, indem Menschen unterschiedlicher Generationen und Kulturen klimaschonend wohnen sollen. Ein Quartier, welches nahe der Stadt, aber dennoch in der Natur gelegen ist. Soziales Miteinander und nachbarschaftliches Engagement sollen hier einen hohen Stellenwert haben (Stadtleben Ellener Hof, S.1). Der Verein Ellener Hof verfolgt im Quartier einen Leitfaden, welcher ein klimaschonendes und nachbarschaftförderndes Zusammenleben verspricht. Werte wie Offenheit, Toleranz und ein respektvoller Umgang miteinander spielen eine zentrale Rolle. Erstrebt wird eine nachhaltige Lebensweise, wobei Klima- und Ressourcenschutz bereits im Alltag der Bewohnenden integriert werden soll (Bremer Heimstiftung: Leitbild). 

Wie bereits in den Klimaschutzzielen des Senats der Hansestadt Bremen erläutert, sollte sich die Mobilität in Städten verändern, indem der Anteil am Autoverkehr gesenkt wird und der bestehende Straßenraum stärker für Fußverkehr, Radverkehr, ÖPNV und dem öffentlichen Raum nutzbar wird (vgl. Freien Hansestadt Bremen, S.7ff.). In dem Quartier Ellener Hof wird genau darauf der Fokus gesetzt: Das Gelände ist autoarm und barrierefrei, Radfahrer:innen und Fußgänger:innen haben Vorrang (Bremer Heimstiftung: Leitbild). Zudem befinden sich Dienstleistungen und Einkaufsmöglichkeiten in unmittelbarer Nähe, sodass keine langen Wege mit dem Auto zurückgelegt werden müssen. Um einen gewissen energetischen und klimafreundlichen Standard bei den entstehenden Gebäuden zu erfüllen, haben die Gebäude mindestens 70% Holzanteil und die Wärme- sowie Stromversorgung wird hauptsächlich lokal gewonnen (Stadtleben Ellener Hof, S.4f.).

Der Lageplan der städtebaulichen Anlage (vgl. Abb. 1) zeigt einen hohen Anteil an grünen und blauen Infrastrukturen auf dem Quartier und um das Quartier herum. Vögel, Insekten und andere Gartentiere können dadurch geschützt werden, sodass die Artenvielfalt erhalten bleibt (Bremer Heimstiftung: Leitbild). Außerdem bietet das bereits bestehende, anliegende Ellener Feld zusätzlich zu den geplanten Grünflächen im Quartier genug Platz, um Zeit im Grünen zu verbringen. Im Quartier soll zudem ein Gemeinschaftsgarten entstehen, welcher von den Nachbar:innen gemeinsam gepflegt wird. Der Konsum lokaler Lebensmittel trägt zum Klimaschutz bei und durch das gemeinsame Pflegen des rund 400 m2 großen Gartens soll soziales Engagement und das Nachbarschaftsgefühl gefördert werden. In der Projektbeschreibung wird dieser garten als ein Ort des Zusammenkommens, bei dem Menschen jeden Alters und jeder Kultur mitwirken können, dargestellt (ebd.). 

Gestärkt wird die lebendige Nachbarschaft ebenfalls durch verschiedene Mitmachaktionen und Angebote. So fand beispielsweise im Februar 2024 eine gemeinschaftliche Kohltour statt, bei der 30 Personen teilnahmen und über das Gelände des Ellener Hofs spazierten (vgl. Bremer Heimstiftung: Neues). 

 

Klimaschutz und Teilhabe im Quartier 

Obwohl das Quartier Ellener Hof noch nicht fertiggestellt ist und seine lokalen Veranstaltungen sowie Initiativen noch in den Anfängen stecken, entwickelt sich das Quartier in eine positive Richtung. Sozialer Zusammenhalt und Teilhabe im Quartier kann durch das Mitwirken jeder einzelnen Person entstehen und gestärkt werden. Durch das bewusste Handeln der Bewohnenden im Alltag, wie beispielsweise den Verzicht auf Autofahren oder das Kaufen lokaler Lebensmittel, kann sich die Lebensqualität jener und die ihrer Mitmenschen verbessern. Durch das Schaffen von Grünflächen oder Parks wird ebenfalls die Lebensqualität für alle verbessert, indem die Luftqualität besser wird, die Umgebung ruhiger und es Aufenthaltsorte zum Zusammenkommen im Freien gibt.

Generell lässt sich also sagen, dass durch aktiven Klimaschutz im Quartier die Lebensqualität der Bewohnenden zunimmt und die Wahrscheinlichkeit, sich mit den Nachbar:innen zu vernetzen und gegenseitig zu unterstützen, zunimmt, wodurch ein soziales Miteinander entsteht.

 

Literaturverzeichnis

Bundesinstitut für Bau-, Stadt-, und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumforschung (BBR): „Ziele nachhaltiger Stadtquartiersentwicklung“, BBSR-Analysen KOMPAKT, 09/2013

Deutsches Institut für Urbanistik, Jan Hendrik Trapp und Dr. Martina Winker: Blau-grün-graue Infrastrukturen vernetzt planen und umsetzen – Ein Beitrag zur Klimaanpassung in Kommunen, 03/2020, Bonn: https://repository.difu.de/handle/difu/281578, zuletzt aufgerufen am 21.02.2024

Frei Hansestadt Bremen: Klimaschutzziele des Senats der Hansestadt Bremen. https://umwelt.bremen.de/klima/klima-energie/klimaschutz-24312, veröffentlicht 07.06.2022, gesetzlich festgesetzt am 19.04.2023, zuletzt aufgerufen am 21.02.2024

Heimstiftung Bremen, Stadtleben Ellener Hof: „Neues vom Ellener Hof“, https://stadtleben-ellenerhof.de/neues-vom-ellener-hof/, ohne Datum, zuletzt aufgerufen am 26.02.2024

Heimstiftung Bremen, Stadtleben Ellener Hof: „Unser Leitbild“, https://stadtleben-ellenerhof.de/ueber-uns/, zuletzt aufgerufen am 26.02.2024

Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) (Hrsg): Das Quartier: Raum für mehr Umwelt- und Klimaschutz, in: Umweltgutachten 2020, S. 403-464, https://www.umweltrat.de/SharedDocs/Downloads/DE/01_Umweltgutachten/2016_2020/2020_Umweltgutachten_Kap_07_Quartier.pdf?__blob=publicationFile&v=4, zuletzt aufgerufen am 21.02.2024

Schnur, Olaf: „Quartier und soziale Resilienz“ vhw, Bundesverband für Wohnen und Stadtentwicklung e.V., BMI-urbane Resilienz, 2021

Schnur, Olaf: Quartier als Schlüsselbegriff, in: BBSR (Hrsg): gemeinsam Stadt gestalten, Bonn: BBSR, 2021, 13-17

Stadtleben Ellener Hof (Hrsg): Broschüre Stadtleben Ellener Hof – Aktuelle Projekte, 07/2020, Bremen: https://www.akhb.de/sites/default/files/2020-08/200709_Brosch%C3%BCre%20Stadtleben%20Ellener%20Hof.pdf, zuletzt aufgerufen am 21.02.2024

 

Ein Gedanke zu „Klimaschutz im Quartier. Das Beispiel Ellener Hof

  1. speyer-zeitung.de Antworten

    Mir geht das Herz auf, wenn ich sehe, wie ihr beim Ellener Hof den Klimaschutz im Quartier vorantreibt. Deine Leidenschaft und Euer Engagement sind beeindruckende Beispiele dafür, wie wir gemeinsam eine nachhaltige Zukunft gestalten können. Danke, dass Du uns zeigst, wie es geht!

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