Machen wir es doch wie Theodor Fischer…

"Wie wenig ist genug?" Thesen und Instrumente für eine Raumwende

LG Bayern – These 5
Bottom Up oder Top Down? Wie werden Planungsstrategien erfolgreich? Wie erreichen wir die Menschen in ihrer konkreten Lebenswirklichkeit? Wären nicht sich überlagernde kleine Pläne besser als der eine große, der nie kommt?

Machen wir es doch so, wie Theodor Fischer…

1960 wurde das Bundesbaugesetz verabschiedet, der Vorläufer unseres heutigen Baugesetzbuchs.
Hierin sind bundesweit einheitlich die gesetzlichen Grundlagen für die bauliche Entwicklung von Städten und Gemeinden geregelt. In den letzten 63 Jahren wurde das Baugesetz und seine Rechtsverordnungen – je nach gesellschaftlicher und politischer Schwerpunktsetzung – immer weiter ergänzt und verfeinert. Sind wir noch auf dem richtigen Weg? Oder wäre auch hier weniger mehr?

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Forderungen an die Bebauungsplanung:

Zwischen dem städtebaulichen Entwurf eines neuen Quartiers und der Objektplanung als den beiden Gipfeln des kreativen Schaffens von Architekt*innen und Städtebauer*innen liegt das Tal der Baurechtsschaffung: Der städtebauliche und landschaftsplanerische Entwurf – meist Ergebnis eines Wettbewerbs – muss überführt werden in einen Rechtsplan, d.h. in einen Bebauungsplan mit Grünordnungsplan. Aus städtebaulichen Setzungen werden dann Baulinien und Baugrenzen, Wandhöhen, vordefinierte Nutzungsarten, Schallpegel und festgesetzte Tiefgaragenzufahrten etc. Hier das rechte Maß zwischen Festsetzungen, die die Idee des städtebaulichen Entwurfs sichern, und Offenheit für künftige Entwicklungen zu finden, ist eine der großen Herausforderung in der Bebauungsplanung. 

Theodor Fischer hat vor mehr als hundert Jahren in München gezeigt, wie es gehen kann. Mit seinen Baulinienplänen und der Staffelbauordnung hat er München bis zum Ende der 1970er Jahre ein ebenso robustes wie überzeugendes Instrumentarium für die städtebauliche Entwicklung zur Verfügung gestellt. Die Baulinienpläne leben sogar in den so genannten einfachen Bebauungsplänen nach §30 Abs.3 BauGB bis heute fort. 

Warum sind im Gegensatz zu dem Instrumentarium von Theodor Fischer unsere Bebauungspläne von heute so unfassbar kompliziert? Warum dauern die Verfahren so unendlich lange, so dass bei Inkrafttreten der Plan teilweise schon wieder wie aus der Zeit gefallen wirkt? Was ist heute anders als zu Theodor Fischers Zeiten? Und: Wie kommen wir wieder zurück zum Einfachen? 

Skizzen zum Status quo, Versuch einer Annäherung und Erklärung

Bodenpreis und Bodenrecht

Unabhängig von seinen vielfältigen ökologischen Funktionen, ist der Boden in Deutschland auch eine Ware. Mit der vorbereitenden und verbindlichen Bebauungsplanung erhöht sich der Verkehrswert dieser Ware deutlich, der Marktwert -je nach Lage- exorbitant. Zwischen einer im Flächennutzungsplan als Ackerland dargestellten Fläche und einer Wohnbaufläche kann eine Preissteigerung von 3.000 Prozent liegen. Der Preissprung zu einem durch Bebauungsplan verbindlich festgesetzten Baurecht ist je nach Höhe des zulässigen Maßes der baulichen Nutzung nochmals ungleich höher.

Damit ist die Baurechtsschaffung auch ein knallhartes ökonomisches Geschäft. Wenn schon das Baugesetzbuch keine generelle Abschöpfung der planungsbedingten Wertsteigerung vorsieht, tut die öffentliche Hand gut daran, zumindest einen ökonomischen Ausgleich zwischen den sogenannten Planungsbegünstigten und der Allgemeinheit zu schaffen. München hat dazu das Instrument der sozialgerechten Bodenordnung geschaffen. Die jeweiligen Verhandlungen in den konkreten Projekten zwischen der Landeshauptstadt München und den Planungsbegünstigten sind herausfordernd und benötigen Zeit. Vor allem aber sind nur definierte Parameter berechenbar und den Planungsbegünstigten in Rechnung zu stellen. 

Im Ergebnis führt dies – zumindest in München – zu der Tendenz, jede Unschärfe zu vermeiden, damit aber auch die Offenheit für künftige Entwicklungen aus Bebauungsplänen zu verringern.

Gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse

Das deutsche Baurecht kennt eine Fülle von Schutzvorschriften, um gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse zu sichern. Insbesondere die Wohnruhe genießt in Deutschland einen hohen Stellenwert.

Zum Beispiel überschreitet der prognostizierten Verkehrslärm in den Planungsgebieten oftmals die gesetzlichen Grenzwerte für Wohnnutzung, so dass diese Nutzung ausgeschlossen werden müsste. Reagiert wird oftmals mit einem komplizierten Konstrukt von Schallpegeln bis hin zu Festsetzungen, dass Aufenthaltsräume nur auf der vekehrsabgewandten Seite zulässig sind.

Im Gegensatz zu einem Straßenbild als öffentlicher Raum mit zugewandten, belebten und lesbaren Fassaden werden damit Straßenräume erzwungen, zu denen nur noch „Rückseiten“ mit Küchen, Bädern und Abstellräumen orientiert werden können. Irritierend ist hierbei, dass der Gesetzgeber häufig aufwändige und teure technische Lösungen (z.B. Schalldämmlüfter) fordert, den Bewohner*innen aber nicht zutraut, das Fenster zu zu machen, wenn es zu laut wird. Beispiele für derartige urbanistische Schildbürgerstreiche ließen sich noch einige anführen.

Schutz der Umwelt

Bauen ist immer ein Eingriff in unsere natürlichen Lebensgrundlagen. Die Auswirkungen auf die einzelnen sogenannten Schutzgüter (Natur und Landschaft, Boden, Wasser, Luft, Klima, Flora , Fauna…) müssen auf ein Minimum beschränkt werden und soweit wie möglich ausgeglichen und kompensiert werden. Dazu ist zunächst eine genaue quantifizierte und qualifizierte Erhebung notwendig, damit eine transparente und justiziable Rechnung zu den erforderlichen Ausgleichs- und Kompensationsmaßnahmen erstellt werden kann. Auch hier werden die großen Problemstellungen in handhabbare Aufgabenpakete aufgegliedert und -zumindest formal- kleinteilig bewältigt.

Demokratische Planungsprozesse

Die Entwicklung und Gestaltung der gebauten Umwelt geht alle Menschen an. Aus dieser demokratischen Grundüberzeugung heraus ist seit den 1960er Jahren die Beteiligung der Öffentlichkeit im Bebauungsplanverfahren gesetzlich vorgeschrieben. Auch dies benötigt seine berechtigte Zeit.

Inhaltlich werden die eingebrachte Anregungen und Bedenken der Bürger*innen von der Verwaltung aufgenommen, strukturiert und sorgfältig einzeln „abgearbeitet“, um die Rechtmäßigkeit des Bebauungsplanes nicht durch einen Verfahrensfehler zu gefährden. Damit besteht auch hier die Tendenz, die Bebauungspläne mit Festsetzungen zu spezifischen Einzelthemen auszuweiten.

Und nun?

Alle hier exemplarisch aufgeführten Themenfelder und Forderungen haben ihre nachvollziehbare Berechtigung und innere Eigenlogik. Es ist schwerlich vorstellbar, dass zur Vereinfachung und Beschleunigung bei der Baurechtsschaffung zum Beispiel nicht mehr die Auswirkungen auf die Umwelt erhoben werden oder die Bürger*innen nicht mehr beteiligt werden sollten.

Aber die Fülle an materiellen und formellen Vorgaben, Vorschriften, Regelungen und Unterregelungen, zu berücksichtigenden Rechtsprechungen etc. hat sich zu einem kaum zu durchdringendes Dickicht ausgewachsen. Um den Bebauungsplan rechtssicher zu machen, werden Einzelbelange systematisch und nacheinander abgearbeitet. Auf die vielfältigen Problemstellungen und Bedenken wird mit einer Vielzahl an Festsetzungen reagiert, um die Problematik beherrschbar zu machen. Nach Jahrzehnten der immer verfeinerten und sich verästelnden Einzelnormen gerät der Blick aufs große Ganze zunehmend in den Hintergrund.

Notwendig wäre eine grundlegende Reform der Baurechtsschaffung, bei der sämtliche zu beachtende Vorschriften auf den Prüfstand gestellt werden. Dafür braucht es eine unabhängige fachliche Expertise aber auch einen gewaltigen politischen Willen und Mut. Ob dieser in Zeiten der sich immer weiter ausdifferenzierenden Parteienlandschaft ohne klare Mehrheiten vorhanden ist, ist fraglich. Umso mehr muss die DASL diese Forderung deutlich und laut artikulieren und ihre fachliche Expertise andienen.

[Beitrag von Merle Bald, LG Bayern]

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