Pia Burghardt, Studierende an der Hochschule Bremen
Beitrag aus dem Seminar „Quartiersforschung“ im Lehrgebiet „Theorie der Stadt“ an der School of Architecture Bremen, WiSe 2023/2024.
Soziale Ungleichheit und die Bedeutung von Quartierseffekten
Soziale Ungleichheit bezieht sich auf die Unterschiede in den Lebensbedingungen, Chancen und Ressourcen zwischen verschiedenen Gruppen von Menschen in einer Gesellschaft.[1] Das bedeutet, dass manche Menschen bessere oder schlechtere Möglichkeiten haben, Lebensziele zu erreichen, politischen Einfluss auszuüben, an Bildungsprozessen teilzunehmen und sich persönlich zu entfalten. Städte gelten als „Brennpunkte“ der Gesellschaft, in denen diese sozialen Gegensätze besonders deutlich werden. Die ungleichen sozialen Lagen zeigen sich anhand von ungleichen Wohnverhältnissen und unterschiedlichen sozial-räumlichen Lebensbedingungen und manifestieren sich über Prozesse der sozialen Segregation, also der ungleichen räumlichen Verteilung von Bevölkerungsgruppen in der Stadt. Segregation hat strukturelle Gründe durch Zuwanderung, Arbeits- und Wohnungsmarktpolitik.[2]
Aus dieser Beobachtung entwickelt sich die Diskussion um den Zusammenhang von Wohnumfeld und sozialer Benachteiligung. Es wird angenommen, dass sich die räumliche Konzentration sozial Benachteiligter zusätzlich negativ zur individuellen Benachteiligung auf die Bewohner:innen auswirken kann. Dadurch werde soziale Ungleichheit verfestigt und beständig reproduziert.[3] Gleichzeitig stellt sich die Frage, ob Quartiere Ressourcen bereitstellen können, um den Umgang mit Benachteiligungen in der sozialen Lage zu erleichtern. Diese so genannten „Quartierseffekte“ können sich sowohl positiv als auch negativ auf die Bewohner:innen auswirken und umfassen verschiedene Aspekte wie Bildung, Gesundheit, Sicherheit, Beschäftigungsmöglichkeiten und soziale Integration.[4]
Allerdings gibt es in der Stadtforschung keine eindeutigen Ergebnisse, die die Existenz von Quartierseffekten stützen.[5,6] Im Folgenden soll daher ein Beitrag zur Diskussion um das Verhältnis von Wohnort und sozialer Benachteiligung anhand des Quartiers Kattenturm Mitte in Bremen geleistet werden.
Quartierseffekte können in drei Wirkungsdimensionen unterteilt werden: die physische, soziale und symbolische Dimension (s. Tabelle 2).[7] Im Falle Kattenturms werde ich mich überwiegend mit der physischen Dimension auseinandersetzen, da diese zum Teil unabhängig von Bewohner:innenbefragungen anhand von eigenen Beobachtungen und aus den Analysen des IEK (Integriertes Entwicklungskonzept) bewertet werden kann. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass die Nutzung der Quartiersressource von jeder/m Bewohner:in unterschiedlich wahrgenommen wird und daher nicht verallgemeinert werden kann, ob sich eine bestimmte Person benachteiligt oder aber gefördert fühlt.
Die physische Dimension von Quartierseffekten bezieht sich auf die bauliche Gestaltung, den Zustand und die Ausstattung eines Stadtteils sowie auf die Verfügbarkeit von Infrastruktureinrichtungen und Nahversorgung. Eine unzureichende räumliche Ausstattung, mangelnde Anbindung, Versorgung oder der Zustand der Gebäude, des öffentlichen Raums oder der Wohnungen können Ursachen für Benachteiligung sein. Dies betrifft auch Erholungsmöglichkeiten, die Verfügbarkeit von Dienstleistungen, die Erreichbarkeit anderer Stadtteile, Gesundheitsbedingungen und wirtschaftliche Teilhabe durch lokale Wirtschaftsstrukturen sowie den Zugang zu Arbeitsplätzen.[8]