UmBauLabor – Umbauen neu lernen

Autorin: Santana Maria Gumowski Projektmanagement UmBauLabor
eingreicht von Tania Reinicke


Der Umgang mit unserer gebauten Welt wirft grundlegende Fragen auf: Warum schätzen wir den Neubau mehr als den Umgang mit Vorhandenem? In unserer sich rasant entwickelnden Welt haben sich Planungsgrundlagen und Gesetze vor allem auf den Neubau ausgerichtet. Haben wir den Bestand vergessen? Dabei wird der Umbau bestehender Gebäude einen entscheidenden Beitrag zur Nachhaltigkeit in Zeiten wachsender Ressourcenknappheit beitragen und zukünftig eine zentrale Rolle unserer Kultur des Bauens- oder besser Umbauens einnehmen. Um in dieser Diskussion seinen Beitrag leisten können, hat Baukultur Nordrhein Westfahlen das Projekt UmBauLabor ins Leben gerufen. Im Maßstab 1:1 werden in einem realen Gebäude in Gelsenkirchen-Ückendorf unterschiedliche Fragestellungen rund um das Thema Umbau analysiert, erprobt, diskutiert und kommuniziert werden.

Was ist das UmBauLabor
Das UmBauLabor ist ein Erprobungsraum und gleichzeitig Ort der Diskussion und des Austauschs. In dem Gebäude kommen Architekt*innen, Stadtplaner*innen, Handwerker*innen, Wissenschaftler*innen, die Nachbarschaft und diverse Akteur*innen der Baukultur zusammen, um Wertvorstellungen, Fragen und Lösungen für die Umnutzung und den Umbau von Gebäuden zu prüfen und zu diskutieren. Zunächst werden die Grundlagen ermittelt, um das System rund um das Gebäude zu verstehen. Welche Geschichten stecken in einem mehr als hundert Jahre alten Gebäude? Welche Materialien wurden verbaut? Und welche Strahlkraft besitzt das Gebäude für die Nachbarschaft?

In der nächsten Phase geht es um potenzielle Umgangsformen mit der Immobilie. Konkrete Umbauszenarien, um Rückbauprozesse und Raumvisionen werden als Versuchsanordnungen hinterfragt und modellhaft umgesetzt. Wie können wir vorhandene Bausubstanzen sinnvoll erhalten und gleichzeitig den aktuellen Anforderungen gerecht werden? Wie lassen sich existierende Ressourcen möglichst ressourcenschonend und sinnvoll nutzen? Welche Bedeutung hat die Digitalisierung in der Planung von Umbauprozessen und wie lassen sich Raumprogramme neu denken?

Speicher an Geschichten
Das Gebäude des heutigen UmBauLabors trägt eine lange und abwechslungsreiche Geschichte in sich. 1902 wurde das Gebäude als Fleischerei und Wohnhaus der Familie Nocke erbaut. Die Fleischerei wurde über drei Generationen betrieben, bis die Räume schließlich anders genutzt wurden. Zuletzt befand sich dort eine Autowerkstatt und ein Kiosk, der von indischen Nutzern betrieben wurde.

Jede Bewohnerin und Bewohner haben das Gebäude geprägt und Spuren hinterlassen. Noch heute findet man Überreste dieser Vergangenheit. Das Gebäude ist damit zu einem wahren Speicher an Erinnerungen geworden, der die Geschichten der Menschen bewahrt. Es erzählt darüber hinaus die Baugeschichte des Gebäudes. Typisch für die Gründerzeit besitzt es eine schmuckvolle Frontfassade, Holzbalkendecken oder Besonderheiten wie Schlacke im Bodenaufbau. Die Basis des Bauwerks zeichnet sich durch eine einzigartige Handwerkskunst aus und verfügt über eine solide Struktur, die den Grundstein für eine lange Lebensdauer gelegt hat. Umbauarbeiten wurden teilweise durch unprofessionelle Arbeiten und Einsatz von minderwertigen Baustoffen ausgeführt. Größere und wichtige Sanierungsarbeiten wurden dabei Jahrzehnte lang nicht durchgeführt. Diese Vernachlässigung hat das Gebäude stark gezeichnet.

Das Quartier
Das UmBauLabor liegt in Gelsenkirchen-Ückendorf inmitten von Gründerzeitgebäuden und alten Zechen. Gelsenkirchen, einst ein bedeutendes Zentrum der Kohle- und Stahlindustrie, hat in den vergangenen Jahrzehnten einen tiefgreifenden wirtschaftlichen Wandel durchlaufen. Mit dem Niedergang der Montanindustrie stiegen Arbeitslosigkeit und Leerstand dramatisch an. Ückendorf ist ein heterogener Stadtteil, in dem trotz der wirtschaftlichen Herausforderungen eine lebendige und vielfältige Gemeinschaft wohnt. Hier leben Menschen aus unterschiedlichen Kulturen zusammen, und es gibt eine große Bereitschaft sich für das Quartier einzusetzen. Zahlreiche Initiativen engagieren sich für das Gemeindewohl und bieten Freizeitaktivtäten an. Dafür mitverantwortlich ist unter anderem die Stadterneuerungsgesellschaft Gelsenkirchen (SEG). Vor 13 Jahren wurde die SEG gegründet, um sogenannte Problemimmobilien zu kaufen und über verschiedene Förderinstrumente weiterentwickelt zu werden. Nicht alle erworbenen Immobilien konnten erhalten bleiben. Der Abriss der Immobilie des heutigen UmBauLabors stand auch zur Diskussion, welche die SEG 2023 erworben hat und Baukultur NRW bis Ende 2026 zur Verfügung stellt. Dieser Entschluss zeigt die Absicht, die Geschichte und den Charakter des Quartiers zu bewahren und gleichzeitig Raum für innovative Projekte zu schaffen, die zur Belebung und Weiterentwicklung des Stadtteils beitragen.

Von der Praxis Lernen
Im UmBauLabor wird das Umbauen nicht nur aus einer theoretischen Überlegung betrachtet. Es geht vor allem um das Lernen durchs Mitmachen. In praktischen Arbeitsschritten wird getestet, experimentiert und gelernt. Hierbei stehen partizipative Prozesse im Vordergrund, bei denen alle Beteiligten – von Planer*innen und Studierenden über Nutzer*innen bis hin zur interessierten Öffentlichkeit – eingebunden werden. Neben dem Experimentraum bietet das UmBauLabor auch eine Plattform für den Austausch von Wissen und Erfahrungen. In Workshops, Vorträgen und Diskussionsrunden werden Themen des Umbaus vermittelt. Die Ergebnisse der Arbeiten im Gebäude werden dokumentiert und veröffentlicht, um als Inspiration und Lernmaterial für zukünftige Arbeitsschritte zu dienen.

Mit seinem praxisorientierten Ansatz und der Förderung des Austausches zwischen verschiedenen Akteur*innen setzt das UmBauLabor neue Impulse zur Umbaukultur und zur Transformation bestehender Gebäude. Es ist ein Aufruf an alle, den Umbau neu zu lernen – im Sinne einer Baukultur, die sich mit klugen Ansätzen für die Zukunft rüstet und gleichzeitig die Geschichte und Identität unserer Städte bewahrt.

Tania Reinicke

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