Die Lausitz als Garten? Sind Extraktionspraktiken (un-)überwindbar?

Im Einzugsgebiet der Spree sind wesentliche Teile der Lausitz seit 100 Jahren durch den Braunkohleabbau und nunmehr zunehmend durch Tagebaufolgelandschaften geprägt. Die Folgen dieser Extraktion und der damit einhergehenden massiven anthropogenen Überformung bleiben auch dann wirksam, wenn in den kommenden sieben bis 15 Jahren der Ausstieg aus dem Kohleabbau erfolgt. Durch die rückläufige Wasserführung in der Spree (aufgrund des Wegfalls von Sümpfungswässern), dem zunächst anhaltenden Bedarf an Wasser für die Tagebaufolgelandschaften, den steigenden Wasserbedarf in Folge des Klimawandels sowie die mit diesem einhergehende zunehmende Verdunstung der Tagebaufolgelandschaft werden Mangelsituationen im Wasserhaushalt zunehmen (UBA 2023a, S. 2).

 

Die Einzugsbereiche der vorhandenen Talsperren und Speicher reichen nicht aus, um die Fehlmenge auszugleichen (UBA 2023b, S. 127). Erforderlich sind nach Experteneinschätzung (wasser-)bauliche Maßnahmen, um die Wasserversorgung am Unterlauf der Spree, also u.a. von Berlin, sicherzustellen. Diese Maßnahmen sind ihrerseits am Extraktivismus (BT, 2021, S. 1) orientiert, jedoch zielen sie in gewisser Weise darauf, ihn zu minimieren: Um eine sichere Kompensation zu ermöglichen, empfehlen Experten Überleitungen. Da in den angrenzenden Flusseinzugsbereichen von Elbe, Lausitzer Neiße und Oder ähnliche hydrometeorologische Bedingungen bestehen wie für die Spree, „können Wasserüberleitungen nur in wasserreichen Phasen stattfinden“ (vgl. UBA 2023b, S. 128).

Mit Blick auf die gegenwärtigen Planungs- und Realisierungszeiträume wirkt der wasserbauliche Lösungsansatz ambitioniert. Der Ausbau von Speicherkapazitäten oder Leitungen sind nach Wasserrecht mit entsprechenden Planungsprozessen auszugestalten. Beschleunigungsgesetzgebung für die Wasserversorgung könnte sich als politischer (erforderlicher) Ausweg anbieten, ist jedoch – je nach Ausgestaltung ggf. nicht in der Lage – einen gewünschten gesellschaftlichen und politischen Konsens zu schaffen. Eine mögliche Alternative wäre, die Grundwassertrichter des Bergbaus (temporär) weiter zu betreiben, um der Spree Wasser zuzuführen, also die Extraktion fortzusetzen. Ob bzw. in welchem Maßstab dies erforderlich / sinnvoll sein könnte, wäre zu prüfen (modellieren).

Aus der Wucht, mit welcher der Klimawandel in Berlin und Brandenburg spürbar ist, der zeitlichen Dimension und der Komplexität ergibt sich ein besonderes Handlungserfordernis, das mit dem gegenwärtigen Tempo von Entscheidungs- und Planungspraktiken kaum zu bewältigen ist. Und es stellen sich Fragen:

  • Gibt es Alternativen oder ergänzende Lösungen, die zu einer Beschleunigung einer gerechten und resilienten Lösung beitragen können?
  • Welche Wachstumslimits würden aus der Entscheidung, die Tagebaufolgelandschaften als Wasserflächen auszugestalten und keine weiteren Eingriffe im Sinne einer Wasserüberleitung vorzunehmen, für die Entwicklung von Siedlungen, Industrie oder Landwirtschaft ergeben?
  • In welchen Zeiträumen ließen sich – vor dem Hintergrund der skizzierten Abhängigkeiten – überhaupt Land-, Siedlungs- und damit verbundene Wassernutzungen etablieren, die nachhaltig im Sinne einer Kreislaufwirtschaft sind?
  • Was wäre, wenn „(critical) care “ als Ansatz verfolgt würde, der sowohl die gebaute, wie die nicht gebaute Umwelt und ihre Nutzungen umfassen müsste? Wie müsste dieser „care“-Ansatz ausgestaltet werden, um im Sinne des Gartendenkens zu einer sozialgerechten und zukunftsfähigen Wasserversorgung in der Lausitz und den mit der Spree verbundenen Städten zu kommen?
  • Wie müssten demokratische Entscheidungsstrukturen – zur Wasser-, Land- und Siedlungsnutzung im Einzugsbereich der betroffenen Flussräume – politisch ausgestaltet werden, um den erforderlichen Zusammenhang der räumlichen Einheiten in und mit der Lausitz nachhaltig aufzustellen?

Literatur / Quellen

  1. Architekturzentrum Wien: Critical care. Architektur für einen Planeten in der Krise. Ausstellung 2019
    https://www.azw.at/de/termin/critical-care/, Zugriff: 25.06.2023
  2. Deutsche Akademie für Städtebau und Landesplanung (DASL) (Hg.) (2022): Unsere Städte und Regionen: Was sich ändern muss – wie wir uns ändern müssen. Berliner Erklärung der Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung, Berlin
  3. Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste (BT) (Hg.) (2021): Extraktivismus. in: Aktuelle Begriffe. Nr. 21/21 (07. Oktober 2021), Berlin
    https://www.bundestag.de/resource/blob/865274/78df15502d8f1ad4e7a5c269b72ddeab/Extraktivismus-data.pdf, Zugriff: 25.06.2023
  4. Markl, Hubert: Die Verantwortung für den Bestand des Lebens – Evolution und ökologische Krise in: Becker, Heidede, Jessen, Johann (Hg.) (2021): Stadt und Planung. Ein Lesebuch mit Texten aus 100 Jahren Städtebau, S. 251-261, Berlin
  5. Mau, Steffen (2019): Lütten Klein. Leben in der ostdeutschen Transformationsgesellschaft, Berlin
  6. Nehmer, Alex (2022): Care in: Arch+ Zeitschrift für Architektur und Urbanismus. The great repair. Politiken der Reparaturgesellschaft, Heft 250, S. 98-101, Berlin
  7. Umweltbundesamt (UBA) (Hg.) (2023a): Prognostische Wasserbilanzierung für den Kohleausstieg in der Lausitz. Factsheet. Dessau-Roßlau
    https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/prognostische-wasserbilanzierung-fuer-den, Zugriff: 25.06.2023
  8. Umweltbundesamt (UBA) (Hg.) (2023b): Wasserwirtschaftliche Folgen des Braunkohleausstiegs in derLausitz, Dessau-Roßlau
    https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/wasserwirtschaftliche-folgen-des, Zugriff: 25.06.2023

[Beitrag von Elke Plate, LG Berlin-Brandenburg]

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