Die Lausitz als Garten?

Vorbemerkung – Abschweifung vom Thema?

Die DASL – Jahrestagung 2023 in Wittenberg hat mit dem Titel „Die Welt als Garten – auf dem Weg in eine neue Subsistenz“ ein Thema aufgerufen, das so gar nicht in die reale Welt eines europäischen Krieges mit der akuten Gefahr seiner Ausweitung und Unbeherrschbarkeit, der Konfrontation der EU Staaten mit Zuwanderung bisher nicht gekannten Ausmaßes und den Anforderungen des Klimawandels zu passen scheint.
Zu fragen wäre, was mit dem Begriff der „neuen Subsistenz“ gemeint ist in einer Welt, in der die wechselseitigen Abhängigkeiten und Gefährdungen schon bei nur partiellen Systemausfällen so augenscheinlich sind wie nie zuvor. In der also das Gegenteil von Subsistenz, die ja als Produktion für den Eigenbedarf innerhalb einer engen Gemeinschaft definiert ist, passiert?
Ist damit gemeint, dass der Garten eine Form der Produktion für den Eigenbedarf ist mit dem Ziel, Krisenzeiten zu überstehen? Das war ja einer der Grundgedanken der Reformbewegungen des 19. Jh., die bis in die 1920/30er Jahre den Siedlungsbau mitbestimmt haben – von der Schrebergartenbewegung bis zu den Gartenentwürfen zur Nahrungsversorgung von Leberecht Migge, u.a. für die Berliner Hufeisensiedlung.
Die Diskussion würde dann eher zur tieferen Diskussion des Themas Resilienz führen – im Sinne von infrastrukturellen und räumlichen Konzepten zur Erhöhung der Krisenfestigkeit in den verschiedenen Siedlungs- und Wohnformen. Länder wie die Schweiz sind uns da weit voraus, u.a. mit autonomen Systemen der Wasserversorgung oder dezentralen Materiallagern zur Reparatur der technischen Infrastruktur.
Fragen über Fragen…dazu gleich die ganze Welt als Garten…einen hohen Anspruch hat die DASL formuliert.
Unsere Landesgruppe untersucht am Beispiel der Lausitz, ob und wie weit die Metapher des Gartens als Utopie für eine nachhaltige Lausitz tragfähig ist. Nachfolgend ein Versuch, den Gartenbegriff auf die Region zu übertragen.

Die Lausitz als Garten?
Wenn man versucht, Landschaften und Regionen als Garten zu verstehen, fallen einem Bilder gestalteter Großräume ein. Zuweilen wird Südtirol als der „Garten Europas“ beschrieben. Meine räumlich klar umgrenzte und ablesbare, kleinteilige Heimat Thüringen könnte ich mir auch als überdimensionalen großen „Garten“ vorstellen.
Die Metapher des Gartens leuchtet nicht unmittelbar ein, wenn man sich die Lausitz bildlich vorstellt. Sie trägt aber, wenn ein weiter Begriff des Gartens, mit seinen unterschiedlichen Facetten, angewendet wird. Der Garten wird nachfolgend zunächst nicht als Ganzheit, sondern als Summe sehr verschiedener Teile aufgefasst.

Der Garten als kultivierte Natur
Mit Pücklers Parks in Branitz und Bad Muskau bietet die Lausitz zwei Beispiele der Gartenkultur, die zum Welterbe gehören. Hier spielt die Region im Weltmaßstab in der allerersten Liga mit.
Der Rhododendron Park in Kromlau gehört ebenso zu den „Broschen“ der Gartenkultur, die in der Lausitz auch in einigen Schloss- und Gutsparks zu finden sind, deren Gestaltqualität viele Gäste weit über die Region hinaus anzieht.
Ein Alleinstellungsmerkmal der Lausitz ist der Spreewald, der als über Jahrhunderte gehegte besondere Form des Gartens mit seinen Wasseradern wahrgenommen werden kann.

Der Garten als Wirtschaftsgut
Ein Garten kann rein funktional für die Erzeugung von Lebensmitteln genutzt werden, ohne jeglichen ästhetischen Anspruch. Wird normalerweise Obst und Gemüse geerntet, so wurde in der Lausitz Energie „geerntet“. Andere Regionen und Landschaften der neuen Länder sowie die gesamte Wirtschaft der DDR haben, was Kohle und Energie betrifft, auf Kosten der Lausitz gelebt – ein schwerwiegender Grund, der Region etwas durch besondere Förderung zurückzugeben.
Nicht zu übersehen ist, dass die Landwirtschaft in der Lausitz nach wie vor eine wirtschaftlich tragende und landschaftsprägende Funktion erfüllt.

Der Garten als kultiviertes Ödland
Der Kohleabbau kann als Landschaftszerstörung kaum mit dem Gartenbegriff assoziiert werden. Wenn man die Rekultivierung der Tagebaue als Wald- und Seenlandschaft mit einschließt, wandelt sich das Bild. Die ausgekohlten Flächen stehen als neue Form der Kulturlandschaft anderen Nutzungen offen – ähnlich, wie die Teilflächen eines Gartens periodisch umgenutzt werden. Oder bewusst als zeitweilige Brachen ungenutzt bleiben.
Die Lausitzer IBA hatte die Restrukturierung der Landschaft und die Vernetzung ihrer unterschiedlichen Teile zum Thema. Ebenso kann der Garten als kultiviertes Ödland verstanden werden.

Die Realität des Gartens zwischen Verwahrlosung und Pflege
Das Idealbild des Gartens als gestalteter und besonders gepflegter Teil der Landschaft entspricht selten der Realität. Gärten haben aus unterschiedlichsten Gründen – Geld, Aufwand, Interesse – mitunter auch verwahrloste und öde Bereiche, die nicht unbedingt revitalisiert werden müssen. Sie ähneln im Kleinen dem Zustand einer Region wie der Lausitz im Großen.

Die Topographie des Gartens
Gärten gewinnen an Spannung durch topographische Vielfalt. Die Lausitz hat im großen Maßstab mit dem Spannungsfeld zwischen Bergland und flachem Feuchtgebiet, jetzt noch verstärkt durch große Seen, einen vielseitigen Landschaftsraum zu bieten, in dem Wälder, Gewässer und Felder ein abwechslungsreiches Gesamtgebilde ergeben.

Die Wildnis als verwilderter Garten
Nicht zu übersehen ist, dass die Wildnis in den riesigen, der Natur überlassenen Flächen der ehemaligen Truppenübungsplätze südlich Berlins als Großform des verwilderten Gartens verstanden werden könnte. Der abrupte Wechsel von dichter Metropole und ausgeräumter Natur auf großer Fläche ist eine Qualität, die in Deutschland sonst kaum zu finden ist.

Der Garten als Freizeit- und Rückzugsraum
Im Garten sind der Einzelne und die Familie „für sich“, man findet Ruhe und Geborgenheit. Er ist der Ausgleichsraum zum städtischen Leben. Die Lausitz bietet durch ihre Leere und Weiträumigkeit ähnliches auf nahezu gegenteilige Weise. Hier finden gestresste Städter große Räume zum Alleinsein, zum informellen Treffen an nahezu leeren Stränden, zum Spazieren in menschenleeren Wäldern.

Der Garten als Erzählung
Jeder Garten hat seine Geschichte, die sehr konkret ablesbar ist. Man erkennt das Alter der Bäume, findet Fotos von früheren Besitzern, kann die verschiedenen Schritte der Urbarmachung nachverfolgen. Gute Gartenpflege beginnt selten mit Tabula rasa, sondern entwickelt das Vorgefundene behutsam weiter. Der Garten ist Vergegenständlichung der eigenen Arbeit, konkrete Erinnerung an Freizeit und Feste, an das Heranwachsen der Kinder usw. Deshalb trennen sich Menschen ungern von „ihrem“ Garten. Und deshalb ist es so wichtig, bei der Gestaltung der Lausitz die Spuren der Geschichte und ihrer Bewohner zu erhalten. Die IBA Lausitz hat das beispielhaft getan.

Fazit
Die Lausitz braucht keine neue „Erzählung“, sie ist ein Mosaik von Erzählungen.
Beim nochmaligen Durchlesen wirkt die Metapher des Gartens, angewendet auf die Lausitz, doch recht bemüht. Bei Regionen wie Oberbayern oder – wie schon gesagt – Thüringen fiele das leichter.
Dennoch hilft das „Gartenbild“, das Mosaik von Besonderheiten der Landschaft, der Siedlungsform und der kulturellen Prägung zu beschreiben, die insgesamt das Bild und den Charakter der Lausitz formen:
Eine aus dem Blickwinkel der Metropolen zwischen Dresden, Leipzig und Berlin eher peripher gelegene und dünn besiedelte Region, die einerseits landschaftskulturelle Höhepunkte von Weltgeltung besitzt und andererseits dem Reichtum anderer Regionen als Energieproduzent gedient hat.
Die verschiedenen Facetten des „Gartenbildes“, könnten auch als methodischer Zugang hilfreich sein, um die verschiedenen Themen inhaltlich mit konkreten Entwicklungskonzepten zu untersetzen.

[Beitrag von Bernd Hunger, LG Berlin-Brandenburg]

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