Quartier Prinz-Eugen-Park – Deutschlands größte Holzbau-Siedlung

Ulrike Klar, Referat für Stadtplanung und Bauordnung der Landeshauptstadt München, Landesgruppe Bayern
Katharina Tüshaus, 
Referat für Stadtplanung und Bauordnung der Landeshauptstadt München

 

Warum sind die gemischten Quartiere so wichtig? Warum ist uns der Holzbau so wichtig? Das alles hat mit unseren Klimazielen zu tun.

München hat sich zum Ziel gesetzt bis 2035 klimaneutral zu werden. Ein wichtiger Baustein ist die nachhaltige und integrierte Stadtentwicklung, die Freiräume stärkt, umweltschädliche Treibhausgase verringert und kurze Wege anbietet. Nicht nur Einzelgebäude, sondern gesamte Quartiere müssen von Grund auf ressourcenschonend, klimaangepasst und klimaneutral geplant werden.

Neben dem Klimaschutz ist Wohnen das große Thema in München. Das wohnungspolitische Handlungsprogramm „Wohnen in München“ ist für die Stadt ein wichtiges Instrument für bezahlbares und nachhaltiges Wohnen. Die sogenannte „Münchner Mischung“ stärkt den sozialen Zusammenhalt in München, durch die verschiedenen Förderprogramme entsteht ein vielfältiges Wohnungsangebot in Quartieren für breite Bevölkerungsschichten.

Mit dem Quartier im Prinz-Eugen-Park hat die Stadt München neue Maßstäbe für bezahlbaren Wohnraum, Klimaschutz und nachhaltige Stadtentwicklung gesetzt. Unter intensiver Öffentlichkeitsbeteiligung entstand hier auf einem einstigen Militärgelände ein neues, lebendiges Stadtquartier für rund 4.500 Menschen, das nicht nur beispielgebend für einen konsequenten Einsatz nachwachsender Rohstoffe ist, sondern auch für vernetzte Nachbarschaften, autoreduziertes Wohnen und sozialen Wohnungsbau. Gemeinwohl wird hier großgeschrieben. Ein besonderer Wert wird auf Gemeinschaftseinrichtungen, soziale Angebote und eine gute Nahversorgung gelegt – das Wohlfühlen im Quartier, die Identität und der Austausch stehen im Mittelpunkt. 

Prinz-Eugen-Park
Prinz-Eugen-Park, © Michael Nagy, LHM

 

Vom Kasernenstandort zum ausgezeichneten Quartier

Im Münchner Nordosten wurde seit 2016 die ehemaligen Konversionsfläche der Prinz-Eugen-Kaserne in ein grünes Stadtquartier mit 1.800 Wohnungen umgewandelt. Das 30 Hektar große Gebiet, mit beeindruckendem Baumbestand, entwickelte sich von der Militärfläche zu einem vielfältigen, mit zahlreichen Preisen ausgezeichneten Quartier mit hoher Wohn- und Aufenthaltsqualität und großem Vorbildcharakter. 566 Wohnungen wurden als ökologische Siedlung mit zahlreichen mehrgeschossigen Gebäuden in Holzbauweise und Holzhybridbauweise geplant.

Doch wie genau entstand eigentlich das Stadtquartier, das seit Jahren zahlreiche Besucherinnen und Besucher anzieht und eine enorme Strahlkraft weit über die Landesgrenze hat? 

Die Stadt München erwarb das Gelände und lobte nach dem Rahmenplan einen städtebaulichen und landschaftsplanerischen Wettbewerb aus. Den ersten Preis erhielt die Bürogemeinschaft GSP Architekten mit Rainer Schmidt Landschaftsarchitekten, beide aus München. Das Leitbild der Münchner Stadtentwicklung „kompakt, grün, urban“ spiegelte sich klar in ihrem Siegerentwurf, der zur bestehenden Verkehrsachse hin eine viergeschossige, urbane Bebauung mit zurückgesetztem Dachgeschoss vorsieht. Im rückwärtigen Bereich liegen sogenannte Cluster mit vielfältigen Wohnformen für unterschiedliche Alters- und Gesellschaftsschichten – verdichtete Flachbauten, Reihenhäuser, Stadtvillen und Mehrfamilienhäuser. Das Zentrum des neuen Wohngebiets bildet ein lebendiger Quartiersplatz mit Läden und Gastronomie. 50 Prozent der Wohnungen sind im geförderten Wohnungsbau entstanden. 

Lageplan Ökologische Mustersiedlung, von GSP-Architekten mit Rainer Schmidt
Lageplan Ökologische Mustersiedlung, von GSP-Architekten mit Rainer Schmidt

 

Qualität durch Konzeptausschreibungen

Bereits bei der Konzeptausschreibung und Vergabe der städtischen Grundstücke setzte die Landeshauptstadt München neben sozialen Kriterien auch neue Maßstäbe bei den Klimazielen und bewertete ökologische Kriterien, um den Holzbau zu etablieren. Das Ziel war klar: ein Teilbereich des Prinz-Eugens-Parks sollte als Ökologische Mustersiedlung in Holzbauweise errichtet werden. Dafür wurden in den Konzeptausschreibungen ein sparsamer Wohnflächenverbrauch, verbesserter Wärmeschutz, eine Holzbauweise mit einem hohen Anteil nachwachsender Rohstoffe, Regenwassernutzung, bauliche Maßnahmen für Gebäudebrüter, Mobilitätskonzepte und gemeinschaftsfördernde Maßnahmen positiv bewertet. Realisiert wurden die Gebäude mit bis zu sieben Geschossen in unterschiedlichen Bauweisen, vom Holzhybridbau bis zum reinen Holzbau, in einem hohen KfW Effizienzhausstandard, teilweise im Passivhausstandard. Das neu errichtete Quartier umfasst neben den Wohnungen auch Kindergärten und Gemeinschaftsflächen wie Werkstätten, Co-Working-Spaces, Gästeappartements, Gemeinschaftsküchen, Gemeinschaftsräume, einen überdachten Marktplatz, ein Eiscafé, gemeinschaftlich genutzte Dachgärten und Urban-Gardening-Flächen sowie die Quartierszentrale. Schon früh im Planungsprozess wurden die zukünftigen Bewohnerinnen und Bewohner sowie die umliegende Nachbarschaft einbezogen, um das Quartier zu vernetzen und lebenswert zu gestalten. 

 

Konsortium und Quartiersgenossenschaft – ein Novum

 

Eine weitere Besonderheit stellt die Quartiersgenossenschaft „GeQo eG“ dar. Gegründet von den Bewohnerinnen und Bewohnern, ermöglicht und unterstützt sie den Austausch innerhalb des Quartiers. Die GeQo eG verwaltet die Gemeinschafträume und den Betrieb der Quartierszentrale, vermittelt haushaltsnahe Dienstleistungen und betreibt so Quartiersmanagement „aus dem Quartier für das Quartier“. Bewohnerinnen und Bewohner können sich im Nachbarschaftscafé vernetzen, Postpakete in der Quartierszentrale abholen oder an der Mobilitätsstation eines der vielfältigen Sharing-Angebote nutzen. Die GeQo eG organisiert viele Arbeitskreise von „Älter werden im Quartier“ bis zu „Vielfalt leben“. Die Arbeitsgruppe „Ökologie“ kümmert sich beispielsweise um Vogelschutz, Obstbaumpatenschaften, Imkern und um vieles mehr. Die Beschäftigten der GeQo eG leben selbst im Prinz-Eugen-Park und haben somit einen engen Bezug zum Viertel. Dieses Modell war bei der Gründung in Deutschland einmalig.

Auch der Zusammenschluss des sogenannten Konsortiums in der frühzeitigen Planungsphase war ein Novum. In Kooperation mit den städtischen Referaten haben sich die Wohnungsbaugesellschaft Münchner Wohnen mit Genossenschaften, Baugemeinschaften und freien Bauherrinnen und Bauherrn zu einem Konsortium zusammengeschlossen und auf dem Areal Wohnanlagen und soziale Einrichtungen errichtet. Dabei vertrat das Konsortium die Belange der zukünftigen Bewohnerinnen und Bewohner. Auch die israelitische Kultusgemeinde ist mit dem Projekt „Senior*innenwohnen“ dabei. Weitere Beteiligte innerhalb des Konsortiums waren die mitbauzentrale/stattbau München GmbH, aber auch externe Partnerinnen und Partner, sowie Dienstleistende von Carsharing- oder Gesundheitsangeboten.

Die Ziele des Konsortiums waren die Umsetzung des Mobilitätskonzepts, Planung guter Nahversorgung, Öffentlichkeitsbeteiligung und Vernetzung zur Nachbarschaftsentwicklung, sowie die Abstimmung von Gemeinschaftseinrichtungen, die in einer „Charta der Quartiersvernetzung“ fixiert wurden. Die Vielfalt und Expertise des Konsortiums mit dem Leitsatz „Was einer nicht allein schafft, das schaffen viele“ hatte großen Erfolg – ein enormer Mehrwert für die Quartiersentwicklung.

 

Die „nawaros“ – Nachwachsende Rohstoffe

Um die gewünschte Holzbauweise zu realisieren, wurden die Planungsteams dazu verpflichtet, die Entwurfsplanung einem fachkundigen Beratungsgremiums aus den Bereichen Holzbau und Brandschutz vorzustellen. Auch für die Auswahl der Baustoffe wurden Anforderungen gestellt. So mussten alle Hölzer und Holzwerkstoffe aus einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung mit heimischen Hölzern in maximal 400 km Entfernung zur Mustersiedlung stammen und auch ein entsprechendes Nachhaltigkeitszertifikat (FSC, PEFC oder Naturland) tragen. Die Landeshauptstadt München rief hierzu ein eigenes Förderprogramm ins Leben und förderte die Mehraufwendungen für die geforderte Holzbauweise mit einem hohen Anteil an nachwachsenden Rohstoffen, den „nawaros“. Mit einer Höhe von 13,6 Millionen Euro leistete das Zuschussprogramm einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung der ökologischen Holzbausiedlung.

 
Bauen mit Holz, © Michael Nagy, LHM
Bauen mit Holz, © Michael Nagy, LHM

Nachhaltigkeitsaspekte sind immer wichtig

Die Wärmeversorgung der Gebäude erfolgt über das Fernwärmenetz der Stadtwerke München. Der zugehörige Ressourcenverbrauch und die zugehörige Klimaschutzwirkung der Gebäude ermittelte die Ruhr-Universität Bochum innerhalb eines aktuellen DBU-Forschungsprojektes durch umfassende Ökobilanzen über den gesamten Lebenszyklus.

Durch den Holzbau wurden bis zu 48% Kohlendioxid Emissionen eingespart und zusätzlich rund 13.000 Tonnen Kohlendioxid gespeichert.

Ebenso wichtig bei der Planung und Umsetzung waren der Baumbestand, die Kaltluftentstehungsgebiete, Biodiversität, Freiräume und Mobilitätskonzept.


Mit dem Blick auf neue Quartiere: heute bauen wir dichter

Die Wohnzufriedenheit im Prinz-Eugen-Park ist hoch – und so hilft das Pilotprojekt dabei, Vorbehalte gegenüber dem verdichteten Holzbau, gerade beim Wohnungsbau, abzubauen.

Doch beim Blick auf die Dichte des Quartiers haben sich die Anforderungen in den vergangenen Jahren gewandelt: Im Prinz-Eugen-Park entstand ein eher locker bebautes, familienfreundliches Quartier mit imposantem Grün und reduziertem Autoverkehr. Kritische Stimmen bemängeln, dass auf das Areal eine größere Anzahl der Wohnungen passen würde. Und tatsächlich wird die folgende Konversion, beim Neubauquartier in Neufreimann im Münchner Norden, auf dem Gelände der ehemaligen Bayern-Kaserne, derzeit erheblich dichter bebaut – ist doch der Druck auf dem Wohnungsmarkt in München inzwischen massiv gewachsen und die Flächen sind wertvoll.

Durch den Erfolg und die Vorreiterrolle des Prinz-Eugen-Parks beim nachhaltigen und ressourcenschonenden Bauen profitieren viele zukünftigen Quartiersentwicklungen. Die urbane Transformation beginnt im Quartier: für mehr lebenswerte, klimaangepasste und klimaneutrale Nachbarschaften der Zukunft. Wenn Sie mehr zu dem Quartier oder zu anderen zukunftsweisenden Quartieren lesen wollen, dann werden Sie in der Publikation des ISW Institut für Städtebau und Wohnungswesen „Zukunftsfähige Quartiere“ fündig. 

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