Wie kann man die Aktivierung der Bewohnerschaft innerhalb von Quartieren fördern? Das Beispiel Ellener Hof

von Leonie Maas

Beitrag aus dem Seminar „Quartiersforschung“, Lehrgebiet „Theorie der Stadt“, School of Architecture Bremen, WiSe 2023/2024

Der Ellener Hof im Herzen von Bremen-Osterholz ist ein neu entstehendes, sozial-ökologisches Modellquartier: stadtnah und doch im Grünen, klimaschonend und nachbarschaftlich engagiert. Menschen unterschiedlicher Generationen, Kulturen und Religionen sollen hier einen Ort zum Leben und Wohnen finden. Auf knapp zehn Hektar Fläche entstehen unter Regie der Bremer Heimstiftung knapp 500 neue Wohneinheiten für Familien, Senior:innen, Studierende, Singles oder Menschen mit Beeinträchtigungen. Das soziale Miteinander hat dabei einen sehr hohen Stellenwert.[1] So wie es in einem Quartier üblich sein sollte, oder?

Was versteht man jedoch unter einem Quartier? Der Begriff allein kann nicht allgemeingültig definiert werden, da Quartiere in sich immer eigen sind und zudem von jedem individuell aufgefasst und wahrgenommen werden.[2] Dennoch beschreibt man Quartiere grundlegend als gemeinsam-geteilten Lebensraum, in dem die Bewohner:innen wohnen, arbeiten oder ihre Freizeit verbringen und sich auf die eine oder andere Art zu Hause fühlen. Dementsprechend spielt die Bereitschaft der Bewohner:innen zu Engagement und Zusammenarbeit eine wichtige Schlüsselrolle. Ein Quartier zeichnet sich vor allem durch soziale Vielfalt aus. Im Fokus steht dabei immer auch der soziale Zusammenhalt.[3]

Eine oft gestellte Frage ist jedoch, inwiefern man die Aktivierung der Bewohnerschaft innerhalb von Quartieren fördern kann? Hierzu hat die Friedrich-Ebert-Stiftung Handlungsstrategien für soziale Quartiere entwickelt. Diese legen den Fokus besonders darauf, Grundbedürfnisse zu sichern und Chancen zu eröffnen.[4]  Im Folgenden werden diese Handlungsstrategien anhand des neu entstehenden Modellquartiers Ellener Hof untersucht.

Wohnen

Ein Wohnraum gilt als Grundbedürfnis. Ein Ort, der schützt und den Bewohner:innen Privatsphäre sichert. Um dies in einem Quartier bestmöglich zu unterstützen, sollte ein ausreichendes Angebot an bezahlbarem, qualitativ gutem Wohnraum vorliegen und zudem eine ausgewogene Mischung der Mietniveaus. Denn schon mit der Mischung verschiedener Mietniveaus wird soziale Vielfalt im Quartier gefördert. Es braucht Wohnräume für unterschiedliche Generationen, Alleinlebende, Alleinerziehende, Paare, Familien mit Kindern, Behinderte und Pflegebedürftige.[5]

Laut Webseite der Bremer Heimstiftung wächst mit dem Ellener Hof ein lebendiges Quartier mit etwa 500 neuen und unterschiedlichen Wohneinheiten. Das Quartier bietet Einfamilienhäuser, gemeinschaftliches Wohnen, Wohnen mit Service bzw. betreutes Wohnen, Appartements für Singles, Mietwohnungen für Familien, ein Studentenwohnheim, günstigen Wohnraum, sowie barrierefreies oder gar rollstuhlgerechtes Wohnen.[6] Im Ellener Hof schein folglich ein ausgiebiges Angebot an Wohnraum vorhanden zu sein, egal ob zur Miete oder zum Kauf. Menschen aller Art werden hier in Zukunft einen Ort zum Leben und Wohnen finden.

Öffentlicher Raum und Grünflächen

In einem Quartier darf es nicht an ansprechend gestalteten und gepflegten öffentlichen Räumen, bzw. Grünflächen mangeln. Sie dienen den Bewohner:innen vor allem als Ort der Begegnung und Kommunikation. Des Weiteren sollten vielfältige parallele Nutzungen ermöglicht werden, um so möglichst viele Menschen und ihre unterschiedlichen Bedarfe anzusprechen.[7]

Im Ellener Hof mangelt es entsprechend der Darstellung des Webauftritts nicht an Grünflächen und allgemein öffentlichen Räumen. Zudem werden viele Angebote angepriesen, bei denen Bewohner:innen aufeinandertreffen können: Ein Boule-Treff für alle, die Spaß am Boulespielen haben. Ein Kulturverein für alle, die Interesse an Theater und Musik haben. Eine Elektro-Selbsthilfe-Werkstatt, um auf nachhaltigem Weg kaputte Elektroapparate zu reparieren. Eine Fahrradstation, wo Bewohner:innen Fahrräder mieten oder auch ihr eigenes reparieren können. Ein kleiner Dorfladen, der alles Mögliche für den täglichen Bedarf bietet. Ein knapp 400m2 großer Gemeinschaftsgarten, wo alle herzlich willkommen sind, die gerne mit anpacken würden. Eine Holzwerkstatt, wo man alte Möbel erneuern kann. Und eine Nähwerkstatt, die nach dem Motto „Aus Alt mach Neu“ funktioniert. Mehrere Nähmaschinen und Materialien stehen für Besucher:innen bereit.[8]

Infrastruktur und Dienstleistungen

Die Friedrich-Ebert-Stiftung redet hier vor allem von Lebensmittelläden in unmittelbarer Nähe, sowie davon, dass eine kinderärztliche und allgemeinmedizinische Versorgung vorhanden sein müsse. Dies wird als eine zwingende Notwendigkeit dargestellt. Gleiches gilt für Geldautomaten, Postfilialen und Apotheken. Hier spielt auch die Anbindung an das ÖPNV-Netz eine große Rolle.[9]

Wie bereits erwähnt, bietet der Ellener Hof einige Angebote, wie zum Beispiel einen Dorfladen mit Produkte für den täglichen Bedarf, für die Bewohner:innen. Zudem befindet sich ein großes Einkaufszentrum etwa 10 Gehminuten entfernt auf der anderen Straßenseite im Ortsteil Block Diek. Auch ein Ärztehaus befindet sich direkt an der Hauptstraße zwischen den beiden Quartiers. Der Ellener Hof hat nach Aussage der Bremer Heimstiftung zudem eine eigene Waren- und Paketverteilstation, um den motorisierten Lieferverkehr zu reduzieren.[10] Eine gute Anbindung an den ÖPNV ist vorhanden: sowohl eine Buslinie, als auch eine Straßenbahn verkehren hier in erreichbarer Nähe.

Bildungsangebote

Bildung gilt als Grundbedürfnis und Grundrecht, welches für alle Menschen gleichermaßen zugänglich sein muss. Sie dient als Schlüssel zur Verminderung des Armutsrisiko, wodurch wiederum Quartiere aufgewertet werden. Laut Friedrich-Ebert-Stiftung ist es zudem wichtig, dass Bildungseinrichtungen gepflegt sind und finanziell nicht vernachlässigt werden. Hier ist jedoch nicht nur die Rede von Schulen und Kindergärten, auch Bibliotheken, Vereine oder Musikschulen sind wichtig und dienen ebenfalls als Orte der Begegnung und Kommunikation.[11]

Laut Angaben des eigenen Internetauftritts befinden sich Kindergärten, eine Schule für Pflegeberufe, sowie ein eigener Kulturverein und, wie bereits erwähnt, viele weitere Projekte, direkt auf dem Areal des Ellener Hofs. Zwei Grundschulen liegen in etwa 5-15 Gehminuten Entfernung. Im Quartier selbst werden das Zusammenleben und Voneinander-Lernen aller Menschen durch vielfältige, selbst-organisierte wie professionelle Aktionen und Angebote großgeschrieben. Laut Eigendarstellung wird eine lebendige Nachbarschaft für Menschen jeder Art gepflegt.[12]

Fazit

Meiner Meinung nach ist das neu entstehende Modellquartier Ellener Hof auf einem guten Weg, ein gelungenes Quartier zu werden. Auf der Grundlage meiner Analyse der Eigendarstellung des Quartiers wird deutlich, dass der Ellener Hof für das Miteinander der Menschen steht. Werte wie Offenheit, Toleranz und ein respektvoller Umgang miteinander werden als besonders wichtig angesehen. Zudem wird hier eine nachhaltige Lebensweise, für Klima- und Ressourcenschutz im Alltag, propagiert.

Menschen aller Art sollen hier einen Ort zum Leben und Wohnen finden, egal welchen Alters oder welcher Herkunft. Zahlreiche Angebote für Bewohner:innen unterstützen dieses Konzept. Gerade diese Angebote und Möglichkeiten haben das große Potential, das Miteinander der Menschen zu fördern und die Bewohner:innen somit zu motivieren, aktiv im Quartier mitzumachen und dieses gemeinsam aufzubauen und zukünftig zu verändern.

 

 

Literaturverzeichnis

Schnur, Olaf (2021): „Quartier und soziale Resilienz“, in: Bundesministerium des Inneren, für Bau und Heimat (BMI): Memorandum Urbane Resilienz“, S. 54-55. Letzter Zugriff am 22.03.2024, https://www.bmwsb.bund.de/SharedDocs/downloads/Webs/BMWSB/DE/publikationen/wohnen/urbane-resilienz.pdf;jsessionid=816C3A9802204B94393D4F74FAA9E97A.live871?__blob=publicationFile&v=4.

Karlsruher Institut für Technologie (2016): „Was ist ein Quartier? – Quartiersforschung in Ettlingen“, Dokumentation der Untersuchungen zur Ettlinger Gesamtstadt. Semesterprojekt im Wintersemester 2015/2016. Letzter Zugriff am 21.03.2024, https://stqp.iesl.kit.edu/downloads/Was_ist_ein_Quartier.pdf.

Willinger, Stephan (2012): „Lebensraum Stadtquartier – Leben im Hier und Jetzt“, Information zur Raumentwicklung. Heft 3/4. 2012.

Friedrich-Ebert-Stiftung (2017): Das Soziale Quartier – Quartierspolitik für Teilhabe, Zusammenhalt und Lebensqualität. Letzter Zugriff am 22.03.2024, www.library.fes.de/pdf-files/wiso/12366.pdf.

Stadtleben Ellener Hof (ohne Datum): Sozial-ökologisches Modellquartier; sowie die Seiten: Über uns, Wohnen, Angebote, Leitbild und Partner. Letzter Zugriff am 22.03.2024. https://stadtleben-ellenerhof.de/.


[1] vgl. Stadtleben Ellener Hof (o.D.): „Über uns“.

[2] vgl. Karlsruher Institut für Technologie (2016), S. 4.

[3] vgl. Willinger (2012): S. 1.

[4] vgl. Friedrich-Ebert-Stiftung (2017), S. 8-16.

[5] vgl. Friedrich-Ebert-Stiftung (2017), S. 8-10.

[6] vgl. Stadtleben Ellener Hof (o.D.): „Wohnen“.

[7] Vgl. Friedrich-Ebert-Stiftung (2017): S. 10-11.

[8] vgl. Stadtleben Ellener Hof (o.D.): „Angebote“.

[9] vgl. Friedrich-Ebert-Stiftung (2017) s.11-12

[10] vgl. Stadtleben Ellener Hof (2024) „Angebote“

[11] vgl. Friedrich-Ebert-Stiftung (2017) s.12-14

[12] vgl. Stadtleben Ellener Hof (2024) „Leitbild“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert