Die Welt als Garten – eine Utopie?

Utopisches Denken muss nichts Schlechtes sein. Es kann Menschen zum Handeln motivieren und Spielräume öffnen. Aber es sollte in eine gute Beschreibung der Wirklichkeit eingebunden sein und im Wissen um seine Grenzen gedeihen. Sonst richtet es Schaden an.

Der erste Augenschein sagt: Gegenwärtig sieht die Welt eher nicht nach einem Garten aus, Tendenz fallend. Über welchen Gestaltungsspielraum reden wir dann?

Gärten sind Formen menschlicher Naturaneignung, bei der das aneignende Subjekt klar definiert ist. Es gibt Eigentümer, Gärtner, Nutzer. Die Regelsetzung für Gärten ist einfach. Es besteht auch kein Zweifel, dass Gärten als natürlich-kulturelle Ressourcen nachhaltig bewirtschaftet werden können. Sofern es bei Gärten überhaupt ein Nachhaltigkeitsproblem gibt, verweist dies auf eine schlechte gärtnerische Handhabung, nicht auf einen systematischen Fehler. Denn der Garten ist der Ort der Subsistenz, des Selbsterhalts eines in ihm wirtschaftenden Akteurs. Er bietet sogar Raum für dessen Glücksansprüche.

Insofern ist es nachvollziehbar, die Welt als Garten betrachten und behandeln zu wollen, zumal die menschliche Aneignung der Welt inzwischen beinahe total ist, und die Alternativen ziemlich unattraktiv sind: segregierte Nutzflächen, optimiert auf ihren Ertrag, ohne Rücksicht auf die vielfältigen Ansprüche des einzelnen Menschen.

Bild: Kenneth Anders

Das aneignende Subjekt ist im Weltmaßstab jedoch nicht formiert. Die Menschheit lässt sich als Grundgesamtheit der Erdbevölkerung mit zahlreichen Interaktionen beschreiben, aber nicht als Gattungssubjekt. Wer ein solches Subjekt erzwingen will, handelt totalitär. Derzeit immer vehementer vorgetragene Konzepte globaler Steuerungsinstitutionen gehören deshalb – jedenfalls gegenwärtig – in das Reich der Dystopie. Es ist nicht erkennbar, dass die Divergenz der Interessen, die Komplexität des Lebens und die Vielfalt der Räume einer adäquaten globalen Steuerung zugänglich sind. Das Einzige, was zum gegenwärtigen Zeitpunkt erfolgreich globalisiert worden ist, sind die Kapitalinteressen.

Will man an der Idee des Gartens als Modell für den zivilisatorischen Metabolismus festhalten, sollten also anstelle der ganzen Welt zunächst kleinere Maßstäbe gewählt werden. Dies sind die Landschaften; spezifische Raumgebilde mit je konkreten naturräumlichen und kulturgeschichtlich eingeschriebenen Merkmalen. Nicht ohne Grund bezeichnet die Europäische Landschaftskonvention die Landschaft als „Habitat des Menschen“.

Aber selbst bei den Landschaften ist derzeit unklar, ob ihre Gestaltung im Sinne eines gesellschaftlichen Gartens gelingen kann. Die kollektiven Subjekte, die ja vor allem auf der kommunalen Ebene zu suchen wären, erleben nicht eben eine Stärkung ihrer Verfügungsmacht über den eigenen Raum. Die Europäische Landschaftskonvention wurde von Deutschland nie unterschrieben, man fürchtete zu viele unberufene Stimmen im Palaver der Raumentwicklung. Die öffentliche Rede von der Kulturlandschaft, lange Zeit ein zentraler politischer Topos, wird immer leiser, denn sie tritt zusehends in Konflikt mit den Zielen der Energiepolitik und wird daher nicht mehr gern gehört. Inzwischen haben die energiepolitischen Vorgaben eine solche Vehemenz angenommen, dass man sie als gigantisches Suburbanisierungsprogramm lesen möchte.

Suburbanisierung ist das Gegenteil von Subsistenz. Sie zielt auf eine Aneignung des Raums zur Befriedigung des Energie- und Stoffbedarfs eines ortlosen Metabolismus, unabhängig von der konkret in ihm lebenden Bevölkerung. Die Landschaften werden nach Funktionen segregiert, die in ihm lebenden Menschen als demografische Altlasten abgewogen, der Raum verliert seine öffentliche Qualität. Das Ziel, vier bis fünf Windräder am Tag zu bauen, gibt sich selbstbewusst blind gegen die landschaftliche Wirklichkeit. So werden aus Landschaften, die zumindest das Potenzial einer gesellschaftlichen Subsistenz in sich tragen, Betriebsflächen für das große Weiter-so in den Ballungsräumen. Verbleibt die allseits beschworene Transformation in dieser Logik, wird sie zerstörerische Folgen haben.

Die Welt als Garten ist derzeit keine gegründete Vorstellung. Eine Welt, bestehend aus vielen Landschaften, die sich als kollektive Gärten, als gesellschaftliche Habitate mit einer je eigenen Gestaltungsperspektive entfalten, vereinte dagegen utopisches Denken mit handfesten kommunalen Handlungsperspektiven. Wer aus dieser schönen Vision etwas machen will, muss den raumblinden Großdiskursen etwas entgegensetzen.

[Beitrag von Dr. Kenneth Anders, LG Berlin-Brandenburg]

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